Was heute so vor sich geht, kann man ganz gut an der Entwicklung illustrieren, die unsere sogenannten Superhelden genommen haben, früher in den Comics, heute in den Kinofilmen. Du kennst sicherlich auch Superman oder Batman, um diese beiden stellvertretend für die bisher typische Lebensform Ichling zu nennen.
Wir hatten uns an die stereotype Form ihres Wesens gewöhnt, ihres Verhaltens und vor allem an den Preis, den sie bezahlen müssen für ihre Heldentaten: Isolation in der Einsamkeit und dem Abgetrenntsein von der Gemeinschaft. Zum Wohle der Menschheit lebten diese tragischen Helden so freiwillig ein Doppelleben, im Privaten unerkannt, aber in ihren Missionen dafür heldenhaft. Für ihre Siege haben wir sie bewundert und für den Preis, den sie bezahlt haben, bekamen sie unser Bedauern. Zugleich waren wir aber überzeugt, dass es so wohl sein müsse. Noch glaubten wir an die Notwendigkeit eines solchen Lebens für das Überleben der Gemeinschaft und des Guten auf dem Planeten.
So waren die klassischen Superhelden natürlich Projektionsfläche für Heldenträume derjenigen, die ein langweiliges und stilles Leben führen. Sie waren und sind aber auch Spiegelbild für viele, die irgendwie an ihren Karrieren gebastelt haben: Viele Menschen sind einsam geworden, wenn sie im Beruf weiterkommen wollten, denn für die Partnerschaft (falls überhaupt vorhanden) ist meist wenig Zeit. Die Kinder (falls überhaupt vorhanden) verbringen ihre Tage in Krippen, Schulen und Kitas mit anderen Menschen, aber nicht mit ihren Eltern.
Doch dann sind Zweifel aufgetaucht: Ist das noch ein Leben, das gut für alle ist? Und dient es wirklich einem guten übergeordneten Zweck? Wer könnte diesen Zweck überhaupt definieren und wer profitiert von unserem Opfer?
So stolperten auch unsere Superhelden zunehmend in Krisen. Nachdem das Genre ja auch für eine längere Epoche in seiner stereotypen Form nicht mehr zeitgemäß erschien, wurde 1989 der Film Batman (mit Michael Keaton und Jack Nickolson) ein Kinomeilenstein. Die starre Grenze zwischen Gut und Böse verwischte darin zusehends und stellvertretend für jeden Ichling und Superhelden kommt Batman hier und auch in den Folgefilmen in eine notwendige Identitätskrise.
Eine auffällige Folge in den späteren Superhelden-Epen ist, dass die Heros die Kraft der Gemeinschaft, die Wir-Qualität, für sich entdecken. So taucht mit den Avengers ab 2010 ein Superheldenteam auf, das den einsamen Ego-Shooter ablöst. Zwar gehen die Filme auf Comics aus den 1960er-Jahren zurück, aber erst die Eroberung der Kinos durch diese Filme weltweit macht auch auf dieser Ebene auf den Paradigmenwechsel aufmerksam: Der Ichling kommt an seine Grenze, ein Team, eine Gemeinschaft tritt an seine Stelle. Die Auswirkungen dieses Paradigmenwechsels erreichen nach und nach auch uns: im Umgang mit uns selbst, in Beziehungen und Familien, am Arbeitsplatz und auf politischen Ebenen.