Autismus: Wie Genderklischees autistische Frauen unsichtbar machen

Autismus: Wie Genderklischees autistische Frauen unsichtbar machen
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Autismus ist ein facettenreiches Spektrum, das in der öffentlichen Wahrnehmung oft von männlichen Stereotypen dominiert wird: Jungen, die sich für Züge oder Mathematik begeistern und Schwierigkeiten in der sozialen Interaktion haben. Doch diese einseitige Sichtweise lässt eine bedeutende Gruppe oft im Schatten stehen: autistische Frauen. Ihr Autismus bleibt häufig unerkannt – und Genderklischees spielen dabei eine entscheidende Rolle.

Genderklischees und die Unsichtbarkeit autistischer Frauen

Die Diagnose Autismus basiert historisch auf Verhaltensmustern, die vor allem bei Jungen untersucht wurden. Diagnostische Kriterien und Tests wurden ursprünglich an männlichen Verhaltensweisen orientiert, was zur Folge hat, dass viele Frauen durchs Raster fallen. Autistische Frauen maskieren ihre Schwierigkeiten oft geschickt und passen sich an gesellschaftliche Erwartungen an. Das ist eine Form der Anpassung, die als „Maskierung“ oder „Camouflaging“ bezeichnet wird.

Während autistische Männer oft offenkundige soziale Schwierigkeiten haben, neigen autistische Frauen dazu, soziale Interaktionen zu imitieren. 

Sie beobachten ihre Mitmenschen genau, lernen Mimik und Gestik auswendig und verhalten sich so, wie es von ihnen erwartet wird. Doch das kostet enorm viel Energie und führt oft zu sozialer Erschöpfung und Burn-out.

Die gefährliche Verwechslung mit Hochsensibilität

Ein weiteres Hindernis, das autistische Frauen unsichtbar macht, ist die Verwechslung mit Hochsensibilität. Die sensorische Überempfindlichkeit, die viele autistische Menschen erleben, wird häufig als Hochsensibilität interpretiert. Frauen, die sich in einer ständigen Reizüberflutung befinden, denken daher oft, sie seien „nur“ hochsensibel, obwohl ihre Erfahrungen und Schwierigkeiten oft auf das Autismus-Spektrum hinweisen.

Diese Verwechslung hat schwerwiegende Folgen: Autistische Frauen, die sich ausschließlich als hochsensibel betrachten, erhalten nicht die spezifische Unterstützung, die sie benötigen. 

Sie lernen nie, mit den spezifischen Herausforderungen umzugehen, die der Autismus mit sich bringt, und fühlen sich oft lebenslang unverstanden.

Die Rolle von Gender in der Diagnostik

Genderklischees prägen nicht nur die Wahrnehmung von Autismus, sondern auch die Diagnostik. Mädchen und Frauen werden von klein auf dazu ermutigt, sozial angepasst zu sein, freundlich zu wirken und Empathie zu zeigen. Autistische Frauen erfüllen diese Erwartungen oft, indem sie sich perfekt anpassen – auch wenn es sie innerlich zerreißt. Die Tatsache, dass sie sich so gut „verstellen“ können, erschwert die Diagnose zusätzlich.

Einige Studien, darunter auch Untersuchungen der University of Cambridge, zeigen, dass autistische Frauen häufiger Geschlechterrollen hinterfragen und sich außerhalb des binären Geschlechtermodells bewegen. Sie spüren intuitiv, dass gesellschaftliche Erwartungen an Frauen für sie schwer zu erfüllen sind, und hinterfragen sie tiefgehender als neurotypische Frauen. (Quelle)

Warum es wichtig ist, autistische Frauen sichtbar zu machen

Die Unsichtbarkeit autistischer Frauen ist nicht nur eine persönliche Herausforderung für die Betroffenen, sondern ein gesellschaftliches Problem. 

Ohne eine korrekte Diagnose und gezielte Unterstützung haben viele Frauen mit sozialer Isolation, Angststörungen und Burn-out zu kämpfen. Sie werden oft als „schüchtern“, „exzentrisch“ oder „zu sensibel“ abgestempelt, obwohl sie eigentlich neurodivergent sind und spezifische Bedürfnisse haben.

Es ist an der Zeit, dass wir die Genderklischees hinterfragen, die autistische Frauen unsichtbar machen. Wir müssen verstehen, dass Autismus sich bei Frauen anders äußern kann und dass die Maskierung dieser Frauen nicht mit einem geringen Leidensdruck gleichzusetzen ist. Im Gegenteil: Die permanente Anpassung kann zutiefst belastend sein und erfordert Aufmerksamkeit und Verständnis.

Ein Aufruf zur Sensibilisierung und Unterstützung

Der Weg zur Sichtbarkeit autistischer Frauen beginnt mit Sensibilisierung. Bildungsprogramme, die sich mit den geschlechtsspezifischen Unterschieden im Autismus-Spektrum beschäftigen, sind dringend notwendig. Auch medizinisches Fachpersonal und Coaches sollten in der Lage sein, die Maskierungsstrategien und die tiefen inneren Kämpfe autistischer Frauen zu erkennen.

Gleichzeitig ist es essenziell, eine Kultur der Akzeptanz zu schaffen, in der neurodivergente Frauen ihre Besonderheiten leben können, ohne sich verstellen zu müssen. Autistische Frauen verdienen es, als die komplexen, tiefgründigen und einzigartigen Menschen gesehen zu werden, die sie sind – ohne ständig an gesellschaftlichen Erwartungen zu scheitern.

Die Geschichte von Frauen wie Andrea, die jahrelang dachten, sie seien „nur“ hochsensibel, zeigt, wie dringend notwendig es ist, Autismus bei Frauen besser zu verstehen und sichtbar zu machen. Andrea fand durch einen Zufall heraus, dass sie autistisch ist – eine Erkenntnis, die ihr Leben veränderte und sie endlich verstehen ließ, warum sie so ist, wie sie ist.

Autismus ist bei Frauen oft eine unsichtbare Realität.

Es liegt an uns, die unsichtbaren Muster zu erkennen und autistische Frauen auf ihrem Weg zur Selbstakzeptanz zu unterstützen. Denn nur, wenn wir die gesellschaftlichen Klischees hinterfragen, können wir diese wertvolle Gruppe sichtbar machen und ihr ein Leben ermöglichen, das wirklich zu ihr passt.

Herzlichst
Anne

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