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Anne Heintze
Harald Heintze
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Wunschdiagnose Autismus? Warum das kein Trend ist
Man hört es immer wieder: „Autismus ist die neue Modediagnose.“ Erwachsene Menschen, die sich plötzlich im Autismus-Spektrum verorten, werden oft belächelt oder kritisiert. Es wird behauptet, dass es ein „Trend“ sei, sich als autistisch zu sehen, und dass die Wunschdiagnose Autismus eigentlich nur eine Flucht vor Verantwortung oder der Wunsch nach einer besonderen Identität sei.
Aber mal ehrlich: Warum sollte irgendjemand sich freiwillig als autistisch identifizieren, wenn Autismus doch eine lebenslange Herausforderung ist? Macht diese Wunschdiagnose wirklich Sinn, oder steckt da mehr dahinter?
Der Vorwurf der „Modediagnose“: Ein Missverständnis
Das Label „Modediagnose“ für Autismus ist mehr als nur ein Missverständnis – es ist eine Beleidigung für all jene, die jahrelang mit unsichtbaren Kämpfen zu kämpfen hatten.
Wenn Erwachsene im Alter von 30, 40 oder gar 50 Jahren endlich eine Diagnose erhalten, hat das wenig mit einem Trend zu tun. Es geht um Selbsterkenntnis und darum, ein Leben zu verstehen, das oft von Missverständnissen und Überforderung geprägt war.
Warum jetzt so viele Erwachsene nach einer Autismus-Diagnose suchen
Die zunehmende Zahl von Erwachsenen, die sich als autistisch diagnostizieren lassen wollen, hat einen ganz einfachen Grund: Wir wissen heute mehr über Autismus, und wir wissen auch, dass Autismus sich bei Erwachsenen – und insbesondere bei Frauen – ganz anders äußern kann als bei Kindern oder bei Männern.
Viele Menschen haben ihr Leben lang geglaubt, sie seien einfach „anders“ oder „defekt“. Sie haben sich in eine Gesellschaft eingefügt, die sie nie wirklich verstanden hat, und sind oft an ihrer eigenen Anpassung erschöpft.
Die Möglichkeit einer Autismus-Diagnose bietet diesen Menschen eine Erklärung für ihre Erfahrungen und eröffnet ihnen den Zugang zu einem besseren Selbstverständnis.
Autismus als Wunschdiagnose? Ein hartes Urteil
Es ist provokativ und fast schon zynisch, von einer „Wunschdiagnose“ zu sprechen. Was könnte man sich daran „wünschen“, sich in einer Welt zu befinden, die einen ständig überfordert, in der soziale Normen nicht intuitiv erfasst werden und in der jede sensorische Überforderung zum Meltdown führen kann?
Und doch gibt es Menschen, die glauben, dass die Autismus-Diagnose eine Art Ausrede oder Identitätsmerkmal sei, das gerade im Trend liegt.
Aber schauen wir uns das mal genauer an: Viele der Menschen, die eine Autismus-Diagnose suchen, tun das nicht, weil sie „besonders“ oder „trendy“ sein wollen. Sie tun es, weil sie endlich verstehen möchten, warum sie sich ihr Leben lang so fremd gefühlt haben. Es geht um den Wunsch, sich selbst anzunehmen und zu verstehen, und nicht darum, sich ein Etikett anzuheften.
Der Wert einer Diagnose: Mehr als nur ein Label
Was macht eine Autismus-Diagnose für viele Erwachsene so wertvoll? Es geht nicht nur darum, eine Identität zu finden, sondern auch um ganz praktische Dinge:
- Selbsterkenntnis und Erleichterung:
Viele Erwachsene, die sich eine Autismus-Diagnose wünschen, haben Jahre der Selbstzweifel, Schuldgefühle und Anpassungsversuche hinter sich. Eine Diagnose bringt Erleichterung, weil sie erklärt, warum sie sind, wie sie sind, und dass sie nicht „kaputt“ sind. - Zugang zu Unterstützung:
Eine offizielle Diagnose ermöglicht den Zugang zu Unterstützungsangeboten, Therapien und sozialer Absicherung. Menschen, die jahrelang ohne Hilfe ausgekommen sind, können endlich Strategien entwickeln, um ihren Alltag besser zu bewältigen. - Neue Lebensgestaltung:
Eine Diagnose kann der Beginn eines authentischeren Lebens sein. Anstatt sich ständig zu maskieren und anzupassen, können autistische Erwachsene lernen, sich so zu akzeptieren, wie sie sind, und ihr Leben nach ihren eigenen Bedürfnissen zu gestalten.
Wunschdiagnose oder Überlebensstrategie?
Für viele Menschen, die nach einer Diagnose suchen, ist der Wunsch nach Klarheit eine Überlebensstrategie, kein Trend. Der Artikel auf Autismusspektrum.info (Quelle) beschreibt eindrücklich, wie diese Diagnose helfen kann, jahrelange Missverständnisse und Selbstzweifel aufzulösen. Stattdessen wird der Wunsch nach einer Diagnose oft als narzisstische Selbstinszenierung abgetan – ein Urteil, das vor allem zeigt, wie wenig Verständnis es für das Autismus-Spektrum gibt.
Autismus ist keine Ausrede – sondern eine Erklärung
Die Menschen, die sich eine Diagnose wünschen, suchen nicht nach einer „Ausrede“ für ihre Schwierigkeiten. Sie suchen nach einer Erklärung. Und in einer Gesellschaft, die neurodivergente Menschen oft marginalisiert und missversteht, kann diese Erklärung lebensverändernd sein. Eine Diagnose bedeutet nicht, dass plötzlich alle Probleme verschwinden, aber sie schafft die Grundlage für eine neue, bewusstere Lebensgestaltung.
Verstehen statt verurteilen
Vielleicht ist es an der Zeit, unser Urteil über die „Wunschdiagnose Autismus“ zu überdenken. Die meisten Erwachsenen, die eine Diagnose anstreben, tun das nicht leichtfertig oder aus einer Laune heraus.
Sie tun es, weil sie Antworten suchen – Antworten, die ihnen helfen, sich selbst besser zu verstehen und ein authentischeres Leben zu führen.
Denn am Ende geht es nicht um ein Label, sondern um ein tieferes Verständnis der eigenen Identität. Und wer sind wir, über den Wert dieser Selbsterkenntnis zu urteilen?
Ich hoffe, ich habe das Geschenk deiner Zeit verdient.
Herzlichst
Anne