„Ein Mann war auf der Suche nach Gott. Er tat dies innerlich, indem er Seminare besuchte, sich in Selbsterfahrungsprozesse begab, an Satsangs teilnahm und meditierte.
Auch im Außen suchte er Gott. Er reiste dafür nach Indien, um in Ashrams eine Verkörperung des Göttlichen auf Erden zu finden, suchte in den Anden unter den Schamanen nach ihm und natürlich auch bei den Sadhus im Himalaya.
Doch was immer er auch unternahm, er schien sich dem Göttlichen nicht wirklich zu nähern. Eines Tages jedoch traf er einen Jivamukti, so nennt man in der Yogaphilosophie einen zu Lebzeiten vollkommen erwachten Menschen.
Dieser verriet ihn nach eingehender Prüfung, wo Gott zu finden sei.
Der Jivamukti war so überzeugend, dass unser Mann ihm bedingungslos glaubte und ihm zutiefst dankbar war. Der Jivamukti gab ihm eine genaue Wegbeschreibung zu Gottes Hütte, die sich in einem abgelegenen Tal des Himalayagebirges befinden sollte.
Umgehend machte sich unser Mann auf den Weg. Endlich wollte er das finden, wonach er sein ganzes Leben lang gesucht hatte. Die Aussicht darauf gab ihm Energie und voller Freude ging er den beschwerlichen Weg.
Nach mehreren Tagen näherte er sich einer Passhöhe hinter der, laut Beschreibung, nur mehr ein einziges Tal lag, das zu durchqueren war. Er konnte es kaum erwarten die Hütte endlich zu sehen.
Und tatsächlich, kaum hatte er die Passhöhe überschritten, sah er am Hang hinter dem Tal, auf zwei Drittel Höhe des Berges eine kleine Hütte stehen. Sie war mit freiem Auge kaum zu erkennen und hätte er nicht die genaue Beschreibung gehabt, er hätte sie sicher übersehen.
Er konnte es kaum glauben, dass zwischen ihm und der ersehnten Hütte, in der er Gott finden würde, nur mehr so ein kleines Stück Weg lag. Als er den Hang hinunterstieg, hätte er fast ein Liedchen geträllert, so froh war ihm zumute.
Er hörte kaum das liebliche Zwitschern der Vögel, nahm das Plätschern des Gebirgsbaches nicht wahr und bemerkte auch nicht das Pfeifen der Murmeltiere die sich gegenseitig wegen des Auftauchens eines Menschen warnten.
Er durchquerte langen Schrittes das Tal und begab sich auf den letzten Aufstieg. Da die Hütte auf einem Platteau lag verschwand sie vorübergehend aus seinem Sichtfeld. Als er nur mehr einhundert Meter von dem Plateau entfernt war begann seine Fröhlichkeit etwas zu weichen.
So legte er diesen Abschnitt bedächtig zurück und als er das Plateau erreicht hatte sah er Gottes Hütte ein paar hundert Meter vor ihm stehen.
Er ging weiter auf sie zu, aber seine Schritte wurden langsamer, so als würde er durch Wasser waten.
Als die Hütte noch fünfzig Meter entfernt war blieb er stehen.
Er stand eine Weile und starrte die Hütte sehnsuchtsvoll an, dann drehte er sich um und ging weg.“