Metakognition: Grübelei und die Entstehung von Depressionen

Grübelei und die Entstehung von Depressionen
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Wie du schädliches Grübeln mit Metakognition in den Griff bekommst und so die Entwicklung einer Depression verhinderst, – darum geht es in diesem Artikel.

Die Entwicklung einer krankhaften Depression scheint in unserer modernen Zeit zu einer allgegenwärtigen Bedrohung geworden zu sein. Tatsächlich werden Depressionen, die die Lebensqualität bis in krankhafte Bereiche mindern, heute nicht nur besser erkannt, sondern sie nehmen auch wirklich zu.

Stand der Forschung zu Depressionen

Laut einer Februar 2017 veröffentlichten Untersuchung der WHO steigt die Zahl der Betroffenen weltweit und laufend, in einem rasanten Ausmaß: Während 2005 ca. 270 Millionen Menschen mit der Diagnose Depression erfasst waren, betraf die Erkrankung 2015 bereits über 320 Millionen Menschen; etwa 4,4 Prozent der Weltbevölkerung und gut 18 % mehr als noch zehn Jahre vorher.

Die Stiftung Deutsche Depressionshilfe liefert ungute Zahlen speziell für Deutschland: Aktuell erkranken gut 17 % der Deutschen zwischen 18 und 65 Jahren mindestens einmal im Leben an einer depressiven Störung. Fast jeder fünfte Bürger hat demnach im aktivsten Teil seines Erwachsenenlebens mit Depression zu kämpfen, und Kinder, Jugendliche, Menschen im Rentenalter sind in dieser Untersuchung noch gar nicht erfasst.

Auch die Medien legen sich mächtig ins Zeug, um auf die Gefährlichkeit der Depression als „echter“, behandlungsbedürftiger Krankheit hinzuweisen (völlig zu Recht, weil Depressionen zu lange als „Wehwehchen“ abgetan wurden und genug prominente Beispiele gezeigt haben, welche schlimmen Auswirkungen das haben kann).

Während die Warnungen vor der „neuen Volkskrankheit“ von allen Seiten zunehmen, bleiben jedoch die Behandlungsaussichten für die Betroffenen eher trübe: Antidepressiva dämpfen das gesamte Gefühlsempfinden und können weitere Nebenwirkungen haben, die als zweite Säule empfohlene psychotherapeutische Behandlung kann oft erst nach Monaten begonnen werden. Dabei wäre sie so wichtig: Bei einer ersten, einzelnen depressive Episode liegen die Heilungschancen bei 85%, wenn sie rechtzeitig behandelt wird. Ohne angemessene Behandlung erleben zwar 2/3 der Betroffenen „ganz von selbst“ nahezu gesunde Phasen unterschiedlicher Dauer, sind aber auch einem Rückfallrisiko von 50 bis 75 % ausgesetzt …

Nicht zuletzt aufgrund dieses Sachstands gibt es mehrere Ansätze innerhalb und außerhalb der Medizin, rechtzeitiger mit unschädlichen, biologischen Einwirkungen gegen Depression vorzugehen und vor allem der Entwicklung einer Depression vorzubeugen – darunter einen sehr logischen und vielversprechenden Weg, der auch für vollkommen gesunde Menschen höchst interessant ist:

Metakognition: Wie die Beeinflussung des eigenen Denkens Grübeleien abstellen und Depression vorbeugen kann

Wir Menschen sind durch ein „übergroßes“ Gehirn zum Denken verurteilt, wir denken dauernd und manchmal viel zu viel (negative Grübeleien).

Vor allem für Hochbegabte und Hochsensible ist das ständig aktive Gehirn oft eine Last.

Für Pessimisten ist das gleiche Glas halb leer, dass für Optimisten halb voll ist, vermerkt der Volksmund. Er mahnt uns auch: „Wie du in den Wald hineinruft, so wird es herausschallen“, „Du sollst nie den Teufel an die Wand malen!“. Dass die Wände und Wälder direkt in unserem Gehirn sitzen und wir sie selbst beeinflussen können, sagt der Volksmund uns allerdings nicht (kann er auch nicht, zur Zeit der Entstehung dieser Sprichwörter wäre das eine geradezu unerhörte Vorstellung gewesen).

Dieses Geheimnis haben Psychologie und Neuro-Psychologie nun aber schon so lange aufgeklärt, dass sich der Volksmund besser zu einem „Sei freundlich zu deinem Gehirn, und es belohnt dich mit guter Stimmung“ aufraffen sollte: 1979 entwickelten prägten John H. Flavell (damals Psychologie-Professor an der berühmten Stanford-Uni) und Henry M. Wellman (damals Psychologie-Professor an der University of Michigan) den Begriff „Metakognition“.

Die Vorsilbe „Meta“ ist das griechische Wort für „darüber, über‘; Kognition bezeichnet die menschliche Informationsaufnahme, -verarbeitung, -umgestaltung, die wir gemeinhin „Denken“ nennen –.

Metakognition ist das Denken über das Denken

… oder das Nachdenken über das Denken, auch mit Zielen der Umgestaltung dieses Denkens.
Die Metakognition begnügt sich nicht mit der Analyse der kognitiven Prozesse, sondern beschäftigt sich auch und vor allem damit, wie Gedanken und Meinungen, Einstellungen und Aufmerksamkeit, Vorstellungen und Kreativität vom Denkenden selbst überwacht, reguliert und kontrolliert werden können.
Das tut sie, weil unsere Denkprozesse nicht nur von der Logik beeinflusst werden, sondern von allen möglichen äußeren und inneren Gegebenheiten und Zuständen. Oft soweit, dass wir recht verlassen sind, wenn wir uns auf unser Hirn verlassen.

Metakognition verhindert Denkstörungen

Metakognition bietet neue Absatzpunkte, um die negativen Folgen von Denkstörungen selbst in den Griff zu bekommen. Das Erkennen der Fallen in den eigenen Denkprozessen kann Menschen bei der Entscheidungsfindung und in der Gestaltung ihres Alltags helfen – und höchst wahrscheinlich kann sie noch viel mehr:

Die Forschungen rund um metakognitive Erkenntnisprozesse waren zur Zeit der Begriffsentwicklung längst in voller Fahrt. Seitdem wurden vor allem die neurowissenschaftlichen Grundlagen der Selbstbeeinflussung des Denkens erforscht. Inzwischen sind diese Forschungen soweit gediehen, dass metakognitive Konzepte in erste praktische Anwendungen umgesetzt werden. Wie du oben gelesen hast, gibt es gute Gründe, diese praktische Anwendungen auch sofort im Umfeld der Depression anzusiedeln.

Die neuen Ansätze der Metakognitiven Therapie

Die Metakognitive Therapie wurde aus der kognitiven Therapie entwickelt und bringt das Konzept der Achtsamkeit sehr viel stärker ein als diese:

In der kognitiven Therapie sollen dysfunktionale Denk-Schemata verändert werden, in der Metakognitiven Therapie wird bei den Überzeugungen angesetzt, die das eigene Denken bestimmen. In der kognitiven Therapie wird auch davon ausgegangen, dass diese dysfunktionalen Schemata die Ursache für die Depression sind, während die Metakognitive Therapie annimmt, dass lediglich die Überzeugungen über das eigene Denken für die Denkstörung und deren Aufrechterhaltung verantwortlich sind.

Der kognitive Therapeut versucht den Depressiven davon zu überzeugen, dass er angenehm und als Mensch wertvoll ist. Dieser kann das aber erst glauben, wenn er aus seiner depressiven Sicht herausgefunden hat. Der metakognitive Therapeut regt den Depressiven an, solchen Gedanken und dem Nachdenken über diese Gedanken den unangemessen mächtigen Raum im eigenen Hirn zu verwehren.

Dazu werden dem Depressiven hilfreiche Techniken an die Hand gegeben:

1. Die Gedankenstopp-Technik

Die Gedankenstopp-Technik lehrt Grübler, das Grübeln den größten Teil des Tages durch bewusste Gedanken zu stoppen. Sie dürfen sich selbst täglich einen 15-Minuten-Termin zum „Sich-Sorgen“ nehmen, müssen diesen aber nicht zum Grübeln nutzen. Wenn die „Grübelzeit“ genutzt wird, sollen die Gründe dafür aufgeschrieben werden. Da es keine logischen Gründe dafür gibt, sich regungs- und tatenlos zu sorgen (nur wer irgendetwas tut, kann etwas verändern), und das beim Aufschreiben auffällt, gewinnt der Betroffene mit jedem erfolgreichen Gedanken-Stopp und jeder Grübelzeit mehr Kontrolle über seine Gedanken.

2. Die ATT (Attention Training Technique)

Auch Aufmerksamkeit ist Gewohnheitssache, und diese Gewohnheit wird mit der ATT trainiert – an äußeren Objekten, nicht an den nach innen gerichteten dysfunktionalen Denkprozessen. Drei Übungen mit einer Gesamtdauer von 15 Minuten werden eingeübt und sollen täglich wiederholt werden:

  • Übung für die selektive Aufmerksamkeit: 5 Minuten ausschließlich auf 3 (oder 4, 5) Geräusche im Raum achten.
  • Übung für den Wechsel der Aufmerksamkeit: Aufmerksam 2 – 3 andere Geräusche im Raum oder draußen identifizieren, dann die Aufmerksamkeit immer nur auf eins der 5 – 8 Geräusche fokussieren und von einem Geräusch zum anderen springen (insgesamt 5 – 6 Minuten).
  • Übung zum Teilen der Aufmerksamkeit: Als Abschluss 2 – 3 Minuten aufmerksam alle Geräusche „erhören“ (darf am Anfang „unmöglich“ erscheinen, um so größer ist die Freude, wenn es irgendwann klappt).

3. Achtsamkeit lösen, Übungen in „Detached Mindfulness“

Der Betroffene lernt durch simple Verhaltensanweisungen, seine Gedanken erfolgreich loszulassen: Er bekommt diverse Wörter vorgespielt, die ihm eher unbekannt sind, oder er soll sich ein Tier vorstellen und passiv zuschauen, wie seine Gedanken es verändern (zum Beispiel Bewegungen auslösen).

Mit diesen Techniken lernt der depressive Grübler, Grübelei ähnlich wenig Aufmerksamkeit zu schenken wie den vielen anderen Alltagsgedanken, die jedem Menschen täglich durch den Kopf schießen. Bei konsequenter Anwendung meist mit großem Erfolg, weil der Betroffene selbst und aktiv neurologische Verbindungen in seinem Hirn umformt.

Mit Metakognitiven Kurzzeit-Coaching nutzen wir die gleichen heilsamen Prinzipien.

Depressionsvorbeugung ist lange vor einer Therapie möglich

In der Psychologie gibt es Stimmen, die „gute Teile“ der depressiven Verstimmungen aus dem krankhaften Bereich zurück ins Leben holen wollen: Winterdepressionen seien normale, früher vernünftige Anpassungen an die Jahreszeiten, die nur heute schnell aus dem Ruder laufen.

Auch depressive Phasen durch Trauer oder wiederholte frustrierende Niederlagen werden heute als durchaus als normal angesehen (was nichts daran ändert, dass auch für diese Formen der Depression Therapien und Coaching zur Verfügung stehen und in Anspruch genommen werden sollten).

Aber die depressiven Menschen werden mit einer solchen medizinischen Sicht aus dem Umfeld der nicht ergründbaren und nicht beherrschbaren psychischen Zwänge herausholt, allein das ist eine Erleichterung.

In diese Richtung geht auch die Metakognition, wenn sie Ansätze zur Selbstbeeinflussung schlechter Stimmungen, Vorbeugung und Heilung unerwünschtet Lebensumstände vorstellt.

Doch diese Ansätze weisen auch darauf hin, wie fließend der Übergang von einer dauerhaften oder wiederkehrenden Verstimmung in eine belastende Depression ist und dass du lange vorher etwas gegen dauernde Grübeleien und Niedergeschlagenheit tun kannst.

Die Metakognition gehört nicht den Experten, die entdeckt haben. Denn Nachdenken übers Nachdenken kann jeder Mensch ab dem 4., 5. Lebensjahr.

Du kannst dich also auch als gesunder Mensch mit guter Stimmung selbst über Metakognition schlau machen. Du wirst Konzepte finden, die dir in etlichen Lebenslagen helfen – und wenn du zu endlosem Grübeln neigst, auch Methoden, mit denen du kontraproduktive Grübeleien selbst in angemessene Schranken weisen kannst.

Wenn dich deine Grübeleien bereits selbst ärgern oder belasten, solltest du metakognitive Methoden sicher einmal ausprobieren. Außerdem stehen dir aber auch bei ganz normalen (und begründeten) Verstimmungen alle weiteren „minimalinvasiven“ biologischen Ansätze offen, der neuerdings gegen manifeste Depressionen erprobt und teils sehr erfolgreich eingesetzt werden:

  • Lichttherapie und Johanniskraut gegen Winter-Blues (der sonst irgendwann in eine Winterdepression abgleiten kann)
  • Sportliche Bewegung, die nachgewiesenermaßen die Stimmung hebt
  • Wenn du dich mit Ernährung beschäftigst, wirst du viele Lebensmittel finden, die als Stimmungsaufheller gelten.
  • Darüber hinaus kann eine gesunde Ernährung möglicherweise Mängel abstellen, die sich bis in den Gehirnstoffwechsel auswirken.
  • Vernünftige „Schlafhygiene“ bringt besseren Schlaf, der gegen schlechte Stimmung helfen kann: Kein blaues Licht am Abend, regelmäßige Schlafzeiten, genug Schlaf in abgedunkelten Schlafräumen etc.
  • Meditation bietet ein umfassendes Achtsamkeitskeitstraining, das beste Voraussetzungen für die Beschäftigung mit Metakognition erschafft

Teile dieser Veränderungen des persönlichen Lebensstils sind bei unglaublichen vielen Menschen „fällig“, die das auch meist genau wissen, aber am berühmten „inneren Schweinehund“ scheitern.

Vielleicht ist das eines der reizvollsten Motive für die Beschäftigung mit metakognitivem Denken: Der Schweinehund lässt sich mit metakognitiven Methoden vermutlich recht schnell und leicht von innen nach außen und von dort „in die Wüste“ befördern.

Herzlichst
Anne und Harald

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