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Anne Heintze
Harald Heintze
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Mein Asperger-Autismus im Alltag: Beruflich und privat
Nach vielen Jahren als Therapeutin, Coach und Gründerin der HOCHiX Akademie möchte ich heute einen Schritt machen, den ich lange überlegt habe: Ich oute mich als Asperger-Autistin. Dies ist ein Thema, das mich persönlich und beruflich tief berührt, und es ist Zeit, offen darüber zu sprechen.
Nicht nur, weil es Teil meines Lebens ist, sondern auch, weil ich dazu beitragen möchte, dass mehr Menschen, besonders jene, die erst spät ihren Autismus entdecken, den Mut finden, sich mit ihren Eigenheiten auseinanderzusetzen und darüber zu sprechen.
Warum ich diesen Artikel erst jetzt schreibe
Du fragst dich vielleicht, warum ich diesen Artikel erst jetzt schreibe, obwohl ich bereits seit rund 15 Jahren weiß, dass ich Asperger-Autistin bin. Die Antwort darauf ist sehr persönlich und hängt eng mit meiner Familiengeschichte zusammen.
Mein Asperger-Autismus war für mich immer ein sehr intimer Teil meiner Persönlichkeit, etwas, das tief in meiner familiären Prägung verwurzelt ist. Es war nie ein Geheimnis, das ich verstecken musste, aber es fühlte sich auch nicht wie etwas an, das ich mit der breiten Öffentlichkeit teilen wollte. Diese Aspekte meines Lebens zu diskutieren, hätte bedeutet, auch über meine Familie zu sprechen, und ich habe den Wunsch meiner Eltern nach Privatsphäre immer respektiert.
Nun, da meine beiden Eltern verstorben sind, fühle ich mich frei, offener über meine Erfahrungen zu sprechen. Es ist, als hätte sich eine Tür geöffnet, die es mir erlaubt, meine Geschichte zu teilen, ohne dabei die Grenzen zu überschreiten, die ich mir aus Respekt vor meiner Familie gesetzt hatte.
Heute, an meinem Geburtstag und zwei Wochen, nachdem meine Mutter verstorben ist, kann ich ganz frei darüber schreiben. Es ist ein guter Tag dafür.
In den letzten Jahren habe ich zudem bemerkt, dass immer mehr Menschen sich selbst auf eine ähnliche Weise neu entdecken und nach Erklärungen für ihre eigenen Verhaltensweisen und Herausforderungen suchen. Dies hat mich inspiriert, meine eigene Erfahrung auch öffentlich zu machen.
Ich habe erkannt, dass meine Geschichte anderen helfen kann. Indem ich offen über meine Erfahrungen spreche, möchte ich all jene Menschen ermutigen, die vielleicht noch zögern, sich mit ihrer möglichen Autismus-Diagnose auseinanderzusetzen. Es ist nie zu spät, sich selbst neu zu verstehen – und genau das kann unglaublich befreiend und stärkend sein.
Dieser Artikel ist also nicht nur eine persönliche Offenbarung, sondern auch ein Schritt in eine neue Phase meines Lebens. Es ist ein Weg, zu zeigen, dass unsere einzigartigen Eigenschaften, auch wenn sie lange Zeit privat waren, eine Quelle der Stärke und Inspiration für andere sein können
Was dich überraschen mag
Asperger-Autismus ist oft schwer erkennbar, vor allem bei Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen oder beruflich intensiv mit anderen Menschen arbeiten, so wie ich.
Meine Außenwahrnehmung ist für viele eine andere: Vor der Kamera, mit Mikrofon oder in Seminaren und Vorträgen wirke ich offen, zugewandt und einfühlsam. Auch in Klientengesprächen bin ich präsent und ganz bei meinem Gegenüber.
Doch hinter dieser professionellen Fassade gibt es eine Seite, die sich besonders in meinem Privatleben zeigt – eine Seite, die typisch für Asperger-Autismus ist.
Ein Leben im Autismus-Spektrum
Bevor ich tiefer auf meine persönlichen Erfahrungen eingehe, möchte ich ein zentrales Verständnis klären: Autismus, einschließlich Asperger-Autismus, wird heute als „Autismus-Spektrum“ bezeichnet.
Das bedeutet, dass es eine Vielzahl von Ausprägungen und Schweregraden gibt. Man kann also von „leichter“ oder „schwerer“ Autismus-Ausprägung sprechen, auch wenn es faktisch so ist, dass man entweder autistisch ist oder nicht. Doch die Intensität und die Art, wie sich diese neurologische Veranlagung zeigt, kann stark variieren.
Ich selbst würde mich als jemanden beschreiben, der eine leichte Ausprägung von Asperger-Autismus hat, den ich Anne-Autismus nenne. Das bedeutet, dass ich im Alltag gut zurechtkomme und beruflich stark auf meine analytischen und empathischen Fähigkeiten zurückgreife.
Doch es gibt bestimmte Merkmale, die mich in sozialen und privaten Kontexten herausfordern. Diese Erfahrung ist nicht untypisch bei Menschen im Autismus-Spektrum, die vielleicht erst spät im Leben ihre Diagnose erhalten oder überhaupt erkennen, dass sie autistisch sind.
Genetische Prägung: Mein Vater war ebenfalls Asperger-Autist
Mein Vater war ebenfalls ein Asperger-Autist und erst im Zusammenhang mit ihm und dem Wissen, dass er ein Asperger Autist ist, habe ich mich vor vielen Jahren mit meiner eigenen Prägung beschäftigt. Natürlich habe ich viele seiner Verhaltensweisen auch bei mir selbst wieder erkannt. Diese Erkenntnis hat mir geholfen, meinen eigenen Weg besser zu verstehen und anzunehmen. Es hat mir gezeigt, dass ich nicht allein bin und dass viele meiner Verhaltensweisen – wie der Rückzug, die Reizüberempfindlichkeit und das Bedürfnis nach klaren Strukturen – Teil meiner neurologischen Veranlagung sind.
Mein Selbstverständnis als Asperger-Autistin hat für mich nichts an meinem Leben geändert, ich war immer fein damit, bis heute. Für manche Menschen, vor allem jüngere, kann es jedoch sehr wichtig sein, eine fundierte Beratung und Diagnose zu haben, besonders wenn es darum geht, sich selbst besser zu verstehen und vielleicht auch gravierende Veränderungen im Leben vorzunehmen.
Ich nutze mit meinen Klienten gerne den Test der Universität Cambridge von Prof. Simon Baron-Cohen. Du kannst ihn leicht selbst durchführen: Zum Download.
Also, wie sieht der Asperger Autismus bei mir aus?
Berufliche Empathie und private Distanz
Als Therapeutin habe ich gelernt, Emotionen bei anderen Menschen sehr gut zu erkennen. Ich verstehe Körpersprache, Mikromimik und Stimmmodulation – das ist mein Handwerkszeug. Doch diese Fähigkeit bedeutet nicht, dass ich im privaten Kontext ständig darauf achten will oder gar von mir aus Kontakt zu Menschen suche.
Wenn ich im Beruf meine Aufmerksamkeit auf andere Menschen richte, ist das Teil meines Auftrags. Privat jedoch ziehe ich mich gerne zurück und schätze die Ruhe und den Abstand. Soziale Interaktionen empfinde ich oft als anstrengend und versuche, sie auf ein Minimum zu reduzieren.
Diese zwei Seiten meines Lebens – die berufliche Empathie und die private Distanz – mögen für dich überraschend sein. Doch genau dieser Wechsel ermöglicht es mir, beruflich ganz präsent zu sein und im privaten Rahmen meine Energien zu schonen.
Perfektionismus und Inkonventionalität
Ein weiteres Merkmal meines Asperger-Autismus ist meine Neigung zum Perfektionismus. Ich strebe in vielen Bereichen danach, Dinge exakt und fehlerfrei zu erledigen. Das führt zu einer sehr strukturierten und analytischen Herangehensweise, besonders in meiner Arbeit.
Soziale Konventionen interessieren mich dagegen weniger – ich mache mir gerne meine eigenen Regeln und folge meiner inneren Logik.
Logik und Spiritualität
Die Verbindung von Logik und meiner eigenen Art der bodenständigen Spiritualität mag für dich ein Widerspruch sein, für mich jedoch nicht.
Es ist mir vollkommen bewusst, dass es metaphysische Elemente in unserem Universum gibt, die weit über unser derzeitiges Wissen hinausgehen. Ich habe sie erlebt. Ich habe sie erfahren. Dies ist für mich nicht nur mit meiner Spiritualität vereinbar, sondern auch absolut logisch. Nur weil wir bestimmte Dinge noch nicht verstehen, heißt das nicht, dass sie nicht existieren. Dieser Gedanke gibt mir sowohl in meiner spirituellen als auch in meiner logischen Weltsicht Kraft und Klarheit.
Darüber hinaus schenkt mir meine extreme Fokussierungsfähigkeit und Klarsicht etwas, was manche Menschen Hellsichtigkeit nennen. Ich nenne es lieber Hochsensitivität. Für mich ist es was ganz normales, sehr tief in Menschen hinein zu schauen, wenn ich zu 100 % bei ihnen bin. Und aufgrund meiner Jahrzehnte langen Erfahrung sehe ich natürlich viel mehr als die allermeisten anderen Menschen. Das ist vor allen Dingen viel Übung.
Reizempfindlichkeit und die Kunst des Rückzugs
Ein besonders starkes Merkmal meines Asperger-Autismus ist meine sensorische Empfindlichkeit, die Hochsensibilität. Geräusche, grelles Licht, bestimmte Geschmäcker und Gerüche können mich schnell überfordern. Diese Überempfindlichkeit führt oft dazu, dass ich mich in ruhige, kontrollierbare Umgebungen zurückziehe. Es ist ein Weg, mich vor Überstimulation zu schützen und meine Energie zu bewahren.
Menschen und Alleinsein.
Mag ich Menschen, Ohjaa, aber ich bin jemand, der sehr gerne allein ist. Das bedeutet nicht, dass ich Menschen nicht mag – es bedeutet lediglich, dass ich in meinem Rückzug die notwendige Ruhe finde, um meine eigene innere Balance zu halten. Soziale Interaktionen in meinem privaten Umfeld sind für mich weniger erfüllend als Zeit, die ich für mich selbst habe. Ich bin einach sehr introvertiert.
Der Mut, sich selbst zu erkennen
Ich teile diese persönlichen Erfahrungen, um dir, falls du ähnliche Merkmale an dir entdeckst, Mut zu machen. Besonders wenn du erst spät in deinem Leben die Diagnose Asperger-Autismus erhältst oder den Verdacht hast, dass du dich im Autismus-Spektrum befindest, kann das eine große Erleichterung sein. Es ist nie zu spät, sich selbst zu erkennen und die eigenen Besonderheiten anzunehmen.
Es ist wichtig, zu verstehen, dass Asperger-Autismus kein Hindernis ist, sondern eine andere Art, die Welt wahrzunehmen. Es bedeutet, dass du eigene Wege finden musst, um mit der Welt umzugehen, die oft nicht auf die Bedürfnisse von Autisten abgestimmt ist. Doch genau in dieser Andersartigkeit liegt auch eine besondere Stärke.
Diagnostik oder Selbstanalyse
Für mich persönlich war die Diagnostik nicht wirklich wichtig, ich war auch schon mehr als 40 Jahre alt. Je jünger ein Mensch ist, desto wertvoller kann eine fundierte Diagnostik aber sein, vor allem wenn es darum geht, sich selbst besser zu verstehen und notwendige Veränderungen im Leben vorzunehmen. Für manche Menschen bringt eine offizielle Diagnose Klarheit, Akzeptanz und das Gefühl, nicht alleine zu sein.
Dennoch kann es für manche Menschen auch ausreichend sein, sich durch Literatur und Selbsttests im Internet mit dem Thema auseinanderzusetzen. Viele renommierte Institutionen bieten seriöse Tests an, die erste Anhaltspunkte geben können. Ich empfehle dir, wenn du dich in den beschriebenen Merkmalen wiederfindest, dich auf diese Weise auf die Suche zu begeben.
Offener Umgang mit Autismus
Indem ich offen darüber spreche, dass ich Asperger-Autistin bin, möchte ich dazu beitragen, dass das Thema mehr Sichtbarkeit bekommt. Es ist keine Schwäche, anders zu sein – im Gegenteil, es ist eine Stärke, wenn du lernst, mit deinen Eigenheiten zu leben und sie sogar als Vorteil zu nutzen.
Für mich ist der Asperger-Autismus nicht nur Teil meiner Persönlichkeit, sondern auch ein Aspekt, der meine beruflichen Fähigkeiten maßgeblich geprägt hat.
Meine Sensibilität für nonverbale Signale, meine Liebe zur Struktur und Logik und meine analytische Denkweise haben mir in meiner Arbeit als Therapeutin und Coach immer wieder geholfen.
Doch genauso wichtig ist es, auch die andere Seite zu akzeptieren: den Rückzug, die Ruhe und das Bedürfnis nach klaren, vorhersehbaren Abläufen.
Ich hoffe, ich habe das Geschenk deiner Zeit verdient.
Sonnige Grüße von
Anne
PS:
Anlaufstellen
Für diejenigen, die sich intensiver mit dem Thema Asperger-Autismus auseinandersetzen möchten, empfehle ich die Seite: Autismus Deutschland