Überangepasstheit bei Hochbegabten: Der schmerzhafte Preis des Versteckspiels in einer zu engen Welt

Überangepasstheit bei Hochbegabten: Der schmerzhafte Preis des Versteckspiels in einer zu engen Welt
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Stell dir vor, du bist ein Adler, geboren, um die Weiten des Himmels zu erkunden, majestätisch mit den Winden zu spielen und alles aus schwindelerregender Höhe zu überblicken. Aber stattdessen lebst du im Taubenschlag. Die Tauben um dich herum zwitschern fröhlich, picken Körner vom Boden und scheinen zufrieden zu sein. Du aber, mit deinen scharfen Augen und kräftigen Flügeln, merkst bald, dass etwas nicht stimmt. Du versuchst es ihnen gleichzutun, zu picken und dich anzupassen – doch innerlich fühlst du dich leer, gefangen und vollkommen fehl am Platz. So fühlt sich Überanpassung für hochbegabte Menschen an: Ein Adler, der vorgibt, eine Taube zu sein, nur um nicht aufzufallen.

Aber warum tun sie das, und was sind die Konsequenzen dieses Versteckspiels?

Warum passen sich Hochbegabte an?

Hochbegabte Menschen wachsen oft in einer Welt auf, die für ihre Art zu denken und zu fühlen zu klein und zu eng erscheint. Ihre Gedankensprünge sind anderen oft zu hoch, ihre emotionalen Tiefen zu intensiv.

Anstatt ihre Fähigkeiten auszuleben, entscheiden sich viele, klein zu bleiben – um die Harmonie zu wahren und bloß nicht als „schwierig“ oder „anders“ aufzufallen.

Die Angst vor Ablehnung oder Ausgrenzung beginnt oft schon in der Kindheit: In der Schule wird der schnelle Denker gebremst, im Job gilt der kreative Kopf als „zu viel“ oder „zu kompliziert“. Also lernen Hochbegabte, sich zu tarnen, ihre Flügel einzuklappen und sich in das Bild zu fügen, das von ihnen erwartet wird.

Der innere Sturm: Wenn der Adler seine Flügel versteckt

Das Problem ist, dass niemand dauerhaft gegen seine eigene Natur leben kann. Die Überanpassung erzeugt einen inneren Sturm, eine tiefe, oft schmerzhafte Spannung. Es ist, als würde der Adler verzweifelt versuchen, auf dem Boden zu bleiben, während jeder Muskel nach dem Himmel schreit.

Dieses Versteckspiel kostet enorm viel Energie und hinterlässt Spuren: Erschöpfung, Frustration und eine lähmende innere Leere sind die Folgen.

Die häufigsten Anzeichen für Überanpassung bei Hochbegabten:

  1. Emotionaler Rückzug: 
    Viele Hochbegabte ziehen sich innerlich zurück, weil sie das Gefühl haben, dass ihre wahren Gefühle in der Welt der Tauben keinen Platz haben. Sie werden still, verschlossen und leben ihre intensiven Emotionen nicht mehr aus.
  2. Perfektionismus: 
    Ein fast schon klassischer Begleiter der Überanpassung ist der Perfektionismus. Hochbegabte versuchen, die Erwartungen der anderen zu übertreffen, nur um nicht negativ aufzufallen oder als „schwierig“ zu gelten. Doch dieser Druck ist ungesund und führt zu ständigem Stress.
  3. Identitätsverlust: 
    Wer jahrelang eine Rolle spielt, verliert irgendwann den Zugang zu seinem wahren Ich. Hochbegabte wissen dann nicht mehr, wer sie wirklich sind, und fühlen sich entfremdet von sich selbst.

Die Tragik der Anpassung: Hochbegabung als ungenutztes Potenzial

Es ist eine bittere Ironie: Gerade die Menschen, die mit so viel Potenzial, Kreativität und Innovationskraft ausgestattet sind, passen sich oft besonders stark an. Ihre Andersartigkeit wird als Last empfunden, die sie loswerden wollen, anstatt sie als Gabe zu erkennen.

Und so verlieren sie nicht nur ihre Lebendigkeit, sondern auch den Zugang zu ihren außergewöhnlichen Fähigkeiten. Ein Adler, der nicht fliegt, verlernt mit der Zeit, wie es sich anfühlt, den Himmel zu durchqueren. Ein kreativer Geist, der nicht gefordert wird, stumpft ab.

Raus aus dem Taubenschlag: Wie du zu deiner wahren Größe zurückfindest

Die gute Nachricht: Es ist möglich, den Weg zurück zu sich selbst zu finden. Der erste Schritt ist das Bewusstsein, dass du mehr bist – mehr als die Rolle, die du spielst, und mehr als die Erwartungen, die andere an dich haben. Es ist an der Zeit, deine Flügel auszubreiten und dich wieder mit deiner wahren Natur zu verbinden.

Hier sind einige Schritte, um aus der Falle der Überanpassung auszubrechen:

  1. Akzeptiere deine Andersartigkeit: 
    Du bist ein Adler, keine Taube – und das ist großartig! Deine Hochbegabung und Hochsensibilität sind Geschenke, keine Makel. Erkenne deinen Wert und lerne, dich so zu akzeptieren, wie du bist.
  2. Verlasse die Komfortzone der Anpassung: 
    Wage es, deine Flügel auszubreiten, auch wenn es anfangs unangenehm ist. Du wirst auffallen, aber das ist genau der Punkt: Du bist nicht dafür gemacht, dich zu verstecken. Deine Gabe ist einzigartig und wertvoll.
  3. Umgib dich mit anderen Adlern: 
    Suche Menschen, die dich verstehen und mit denen du auf einer Wellenlänge bist. Menschen, die deine Intensität und Tiefe schätzen, anstatt sie zu kritisieren. Es gibt viele Gleichgesinnte – du musst nur den Mut haben, sie zu finden und dich zu zeigen.

Die schmerzhaften Folgen der Überanpassung

Überanpassung ist wie das Stutzen deiner Flügel: Es fühlt sich sicher an, weil du dich nicht exponierst. Aber auf Dauer ist es eine Selbstverleugnung, die deinen inneren Kern erstickt.

Das Leben eines Adlers im Taubenschlag mag bequem wirken, aber es bringt keine Erfüllung. Die innere Sehnsucht, die Weite des Himmels zu spüren, wird dich nie verlassen.

Es ist ein schmerzhafter Prozess, zu erkennen, dass du dich angepasst hast, aber es ist auch eine unglaubliche Befreiung, zu lernen, dich wieder auszubreiten. Der Mut, zu deiner wahren Größe zurückzufinden, wird dich mit neuer Lebendigkeit und Energie belohnen.

Eine Welt, in der Adler fliegen dürfen

Unsere Gesellschaft braucht Menschen, die mutig genug sind, ihre Flügel auszubreiten. Hochbegabte, die ihr Potenzial leben, bringen Ideen, Innovationen und Visionen, die die Welt voranbringen. Es ist an der Zeit, dass wir uns nicht länger verstecken, sondern als die Adler leben, die wir sind.

Überangepasstheit ist der Versuch, sich in eine Welt zu fügen, die zu eng ist für die wahre Größe und Tiefe hochbegabter Menschen.

Doch diese Anpassung hat ihren Preis: innere Leere, Frustration und das Gefühl, unter den eigenen Möglichkeiten zu leben. Der Weg zurück zur Freiheit beginnt mit dem Mut, deine Flügel wieder auszubreiten und dich zu zeigen, wie du bist.

Sonnige Grüße von Anne Heintze

PS.
Ich hoffe, dieser Artikel gibt dir die Kraft, dich aus alten Mustern zu befreien und zu erkennen, dass deine Hochbegabung ein Geschenk ist, das du mit der Welt teilen darfst. Teile gerne deine Gedanken in den Kommentaren – ich bin gespannt auf deine Geschichte!

 

Kommentare

6 Antworten

  1. Liebe Anne
    Vielen lieben Dank für diese sehr passende Metapher mit den Tauben und dem Adler.
    Mir geht es sehr ähnlich wie Hanna.
    Ich merke immer mehr, dass ich mich nach meinen Panikattacken und Burnout eigentlich gar nicht mehr unter die Nachbarstauben mischen will.
    Die nämlich das Gefühl haben, man funktioniere so wie sie. Die einen meinen es gut und wollen, dass man weiterhin dazugehört, laden einen weiterhin an Taubenfeste ein oder möchten gar vermitteln. Andere reagieren auf meine Rückzugs- und Abgrenzungsversuche mit Erstauntheit, Unverständnis, Ignoranz bis sogar Boshaftigkeit.
    Das alles kostet mich viel Kraft, die ich eigentlich gar nicht habe. Und dennoch sollte es doch möglich sein meinen Adlerhorst in mitten von Taubennestern stehen zu lassen und friedlich neben einander wohnen zu können. Jeder so wie es für ihn stimmig ist.

    Dazu kommt, dass ich meine Energie eigentlich lieber für meine Berufung, die ich endlich gefunden habe, einsetzen möchte.
    Die zarten Knospen meines neuen Themas wachsen aber nur sehr langsam. Und nur dann, wenn sie in einem warmen, windstillen und geschützten Raum stehen.

    Wieso ist abgrenzen nur so schwer?

    Ganz liebe Grüsse
    N.

    1. Liebe N.,

      danke für deinen Kommentar. Du hast das Bild des Adlers und der Tauben auf eine so eindrückliche Weise weitergesponnen, dass ich es direkt vor mir sehe. Dein Wunsch, deinen eigenen Raum zu haben – einen Adlerhorst mitten unter Taubennestern – ist so verständlich. Die Herausforderung liegt nicht nur darin, sich selbst treu zu bleiben, sondern auch in der Reaktion des Umfelds, das nicht immer versteht, warum man nicht mehr mitfliegt, sondern höher steigt, anders kreist, andere Winde sucht.

      Dass du deine Berufung gefunden hast, ist ein Geschenk – und ja, diese zarten Knospen brauchen Schutz, Wärme und den richtigen Nährboden. Wachstum geschieht oft nicht im Sturm, sondern in Ruhe, Klarheit und mit bewusst gesetzten Grenzen.

      Warum ist Abgrenzung so schwer? Weil es oft bedeutet, gegen Erwartungen zu handeln, alte Muster zu durchbrechen und mutig für sich selbst einzustehen. Weil wir sozial geprägt sind und dazugehören wollen – und doch erkennen müssen, dass wahres Ankommen nur dort geschieht, wo wir in unserer ganzen Authentizität sein dürfen.

      Vielleicht hilft dir der Gedanke: Nicht jede Taube muss dich verstehen, und du musst nicht jede Einladung annehmen. Dein Horst darf dein sicherer Rückzugsort sein, und du darfst frei wählen, wann und mit wem du fliegst.

      Ich wünsche dir viel Kraft und Leichtigkeit auf deinem Weg – und dass deine Knospen genau das Licht und den Schutz bekommen, den sie brauchen, um zu erblühen.

      Ganz herzliche Grüße,
      Anne

  2. Danke für diesen und viele andere Artikel. Der Adler gehört nicht in den Taubenschlag! … ich lebe schon lange nicht (mehr) dort … und war über 13 Jahre sehr glücklich und unabhängig … doch mein Umfeld glaubt, mich vor mir selber schützen zu müssen! Die Auswirkungen sind ein seit 16 Monaten dauernder Durchsetzungskampf familiär und öffentlich … wenn ich nur endlich meine Arbeit wieder unbehelligt tun dürfte!
    Ich werde auch das überleben … ‚am Ende kommt alles gut‘ ist meine wichtigste Devise, die mir immer wieder und schon immer Kraft gab!

    1. Liebe Ri,
      Es klingt, als würdest du mit großem Mut für dein authentisches Leben einstehen – auch wenn das Umfeld manchmal Schwierigkeiten hat, damit umzugehen. Dein Durchhaltevermögen und deine innere Überzeugung, dass am Ende alles gut wird, sind bewundernswert. Ich wünsche dir von Herzen, dass du deine Arbeit bald wieder ungehindert ausüben kannst und weiterhin deinen Weg gehst – unabhängig und selbstbestimmt. Bleib dir treu!
      Alles Liebe,
      Anne

  3. Wow! Danke viel viel mal für diesen Artikel! Ich kann es kaum beschreiben, es ist gerade überwältigend! Ich musste weinen, weil dieses Bild des Adlers der sich an die Tauben anpasst so unglaublich triefend das Gefühl in mir beschreibt. Endlich fühle ich mich verstanden. Mehr kann ich gar nicht sagen, nur dass ich etwas Angst habe mich nun endlich zu zeigen, weil ich weiss, dass ich auffalle und auch Angst habe, meinen Perfektionismus loszulassen. Auch das hast du so gut beschrieben. Ich habe oft auch ein schlechtes Gewissen, wenn ich mich zeige, weil das oft aneckt, Menschen stört, verunsichert, sie werden eifersüchtig, sind überfordert, genervt … . Wie kann ich damit umgehen, um mich nicht wieder anzupassen, damit sie auf mich klarkommen?

    1. Liebe Hanna,

      wow, dein Kommentar berührt mich sehr – danke dir für deine Offenheit! Ich freue mich riesig, dass der Artikel dich so tief getroffen hat und dir ein Stück Verständnis schenken konnte.

      Das Bild des Adlers unter Tauben ist so kraftvoll, weil es genau dieses Dilemma beschreibt: Wir passen uns an, um nicht aufzufallen, aber dabei verlieren wir uns selbst. Und dann kommt der Moment, in dem wir erkennen, dass wir eigentlich fliegen könnten – aber mit diesem Wissen taucht auch Angst auf. Die Angst vor Sichtbarkeit, vor Ablehnung, vor der Reaktion anderer.

      Perfektionismus loszulassen ist ein Prozess, und es ist völlig normal, dabei Unsicherheit zu spüren. Du darfst dich in deinem eigenen Tempo entfalten. Vielleicht hilft dir die Frage: Was wäre, wenn ich nicht dafür verantwortlich bin, wie andere auf mich reagieren? Du darfst dich zeigen, ohne die Last zu tragen, dass andere damit umgehen müssen.

      Und ja, manche werden überfordert sein, genervt oder sogar eifersüchtig – aber das ist ihr Prozess, nicht deiner. Du darfst dein Licht nicht dimmen, nur weil es anderen zu hell scheint. Versuch mal, deine Energie für die Menschen zu verwenden, die sich inspiriert fühlen von dem, was du bist – und nicht für die, die dich lieber kleinhalten würden.

      Du bist nicht alleine mit diesem Gefühl. Und du bist nicht falsch – du bist einfach du. Und das ist genau richtig. 💛

      Von Herzen,
      Anne

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