Radikale Vergebung, der beste Weg aus der Opferrolle

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Viele Menschen hegen Groll gegen andere oder auch gegen sich selbst. Dies belastet nicht nur die Seele – auch der Kopf beschäftigt sich bewusst oder unbewusst immer wieder mit den Situationen, die zu den negativen Gefühlen geführt haben. Wer sich diesen Stress nicht mehr antun möchte, der vergibt – sich oder dem anderen Menschen, gegen den sich die negativen Emotionen richten. Radikale Vergebung ist ein hilfreicher Weg. Doch so einfach ist das mit der Vergebung nicht.

Oft scheint es einfacher, in der Opferrolle zu verbleiben, den Auslöser der negativen Gefühle zu ignorieren und in Selbstmitleid zu verfallen. Dennoch lohnt es sich, alte Gedankenmuster und Verhaltensweisen hinter sich zu lassen und mit einer ganz neuen Art der Vergebung eine positivere Lebensrealität zu schaffen. Mit radikaler Vergebung ist es dir möglich, all deine negativen Emotionen und Sorgen loszulassen, sämtliches Unbehagen, das auf deinen Schultern lastet, abzulegen und neue Kraft für das Hier und Jetzt zu schöpfen.

Wie du radikal vergibst und wie es dir nützt

Radikale Vergebung funktioniert bei negativen Gefühlen gegen dich selbst oder gegen andere. Der Prozess beschreibt das sofortige und uneingeschränkte Vergeben von Taten, Aussagen und Gedanken, die in dir diese negativen Emotionen ausgelöst haben. So sorgst du dafür, dass sich dein Bewusstsein und Unterbewusstsein nicht weiterhin mit dieser Negativität auseinandersetzen müssen und dein Fokus wieder auf positive Gedanken und Gefühle gelenkt wird.

Wissenschaftlich betrachtet, kann Vergebung starke positive Auswirkungen auf deine psychische und physische Gesundheit haben. Wer sich selbst und anderen wirklich vergibt, kann Stress reduzieren, der bekannterweise negative Auswirkungen auf Körper und Geist mit sich bringen kann.

Studien zur Vergebung

Forscher des Luther College in Iowa etwa, haben die körperliche und geistige Gesundheit von 148 jungen Erwachsenen untersucht und dabei eine Korrelation zwischen hohem, durch negative Emotionen erzeugtem Stress und gesundheitlichen Problemen feststellen können. Sie entdeckten im Rahmen der Untersuchung allerdings auch, dass es diese Verbindung bei Menschen, die in der Lage sind anderen zu vergeben, nicht vorhanden ist. Der Autor der Studie, Loren Toussaint, sprach in der „TIME“ davon, dass Menschen, die keine Neigung dazu haben, anderen zu vergeben, die heftigen Auswirkungen des Stresses deutlich fühlen würden. Menschen, die hingegen verzeihen können, würden Toussaint zufolge die negative Verbindung zwischen dem emotionalen Stress und den gesundheitlichen Problemen auflösen können. Warum dies der Fall ist, konnten die Forscher allerdings nicht eindeutig feststellen.

In einer anderen Studie, die von der Rotterdam School of Management Erasmus University unter der Leitung von Xue Zheng durchgeführt wurde, wurden die körperlichen Probleme genauer unter die Lupe genommen. Einige Menschen, die unter chronischen Rückenschmerzen leiden, wurden dafür in zwei Gruppen aufgeteilt. Die eine Gruppe erhielt regelmäßige Pflege durch Fachpersonal, während die andere regelmäßig meditierte und im Rahmen dieser Meditation ihre Wut über den Schmerz ablegen sollte. Die meditierenden Teilnehmer sollten die vorhandene Situation so annehmen, wie sie war und sich darüber klar werden, dass sie nicht selbst die Verursacher des Schmerzes waren. Mithilfe von Visualisierungen sollten sich die Teilnehmer außerdem vorstellen, welche Lebensfreude sie ohne den Schmerz empfinden würden. Die Ergebnisse waren auch hier erstaunlich. Die Teilnehmer, die regelmäßig an Meditationen teilnahmen, wiesen zum Ende der Studie deutlich bessere Resultate vor, als die anderen Teilnehmer, die regelmäßig von Pflegepersonal betreut wurden.

Das Problem mit der Vergebung

Ungerechtigkeiten sind Teil des menschlichen Lebens. Oft sind Menschen schon so sehr daran gewöhnt, dass sich dieser Ungerechtigkeit einfach ergeben, anstatt selbst aktiv zu werden. Der Auslöser für negative Emotionen wird einfach akzeptiert – am Ende sind ja doch die anderen oder ganz einfach die Umstände schuld daran, dass es dir schlecht geht. Doch genau hier liegt der gedankliche Fehler, den so viele begehen. Du bist selbst verantwortlich für das, was du fühlst und du bist der einzige Mensch, der aktiv etwas daran verändern kann.

Radikale Vergebung für dich selbst

Mit der Vergebung ist es ähnlich wie mit der Liebe. Erst wenn du in der Lage bist, dir selbst zu vergeben und dich so anzunehmen, wie du bist, kannst du auch anderen Vergebung entgegenbringen. Bevor du versuchst, einem alten Freund für einen Fehler in der Vergangenheit, einem Ex-Partner für seinen Betrug oder deinen Eltern für ihre Erziehungsfehler zu vergeben, solltest du mit dir selbst anfangen.

Damit ist nicht einfach nur Vergebung für einzelne, womöglich schlechte Lebensentscheidungen gemeint, sondern ganzheitliche Vergebung. Du musst lernen, dir selbst, als Person, den Rollen, die du dir selbst zuweist, deinen Weltanschauungen und deinen Wertungen anderer Menschen zu vergeben. Gelingt dir das, bist du bereits einen großen Schritt weiter und du wirst merken, wie die Last auf deinen Schultern leichter wird.

Die Tipping-Methode für Radikale Vergebung

Den Begriff „radikale Vergebung“ haben wir uns nicht ausgedacht. Er stammt aus der, von Colin Tipping entwickelten „Tipping-Methode“. Sie verbindet psychotherapeutische und erfahrungsorientierte Methoden mit einer spirituellen Sichtweise und dient dazu, negative Gefühle wie Wut, Schuldzuweisungen und Ärger aufzulösen. Gleichzeitig wird sie eingesetzt, um die Vorstellung, Opfer von bestimmten Umständen oder Personen zu sein, loszulassen. Dafür musst du dir allerdings kein Glaubenssystem aneignen. Die Sichtweise, die sich aus der Tipping-Methode ergibt, ist lediglich eine Möglichkeit, ein Lösungsansatz, um negative Emotionen loszulassen und zukünftige Ereignisse von vornherein aus einer neuen Sichtweise zu betrachten.

Es ist nicht notwendig, an die Wirksamkeit der Tipping-Methode zu glauben, probiere sie einfach aus. Schon deine die Bereitschaft, durch diesen erleichternden Prozess zu gehen, reicht aus, um einen inneren Wandel und tiefe Heilung zu erleben.

1. Schritt: Erzähl dir deine Geschichte

Zu Beginn der Tipping-Methode setzt du dich mit deiner schmerzhaften Situation auseinander. Es liegt an dir, die Situation so detailliert wie möglich zu beschreiben. Was dir dabei helfen kann, sind die Fragen „Was ist genau geschehen?“, „Wie geht es mir mit der Situation, wie fühle ich mich?“ und „Wo nehme ich die Opferrolle ein, wo bin ich Opfer der Umstände / einer Person geworden?“.

2. Schritt: Welche Gefühle kannst du wahrnehmen?

Schon im ersten Schritt hast du dich mit deinen Gefühlen auseinandergesetzt. Jetzt sollst du noch eine Ebene tiefer gehen und die in dir vorherrschenden Gefühle ganz genau wahrnehmen. Das kann unter Umständen schmerzlich und unangenehm sein. Oft hilft es aber auch, negative Emotionen ganz bewusst wahrzunehmen, um sie anschließend auflösen zu können. Höre ganz genau in dich hinein und schreibe ganz konkret auf, welche Gefühle die Situation in dir auslöst. Beschreibe all deine Gefühle, wie sie dich beeinflussen, ob und welche körperlichen Reaktionen sie zur Folge haben und wie sie dein Denken beeinflussen. Ließ dir all das Aufgeschriebene noch einmal durch und bringe dich dazu, zu akzeptieren. Du allein kannst die Verantwortung für deine Gefühle übernehmen – und genau das solltest du jetzt auch tun. Werde dir deiner Gefühlen bewusst, überlege dir welche Lehren du aus der auslösenden Situation ziehen kannst.

3. Schritt: Analysiere deine Geschichte

Nun sollten deine Gefühle nicht mehr so intensiv wie in den ersten beiden Schritten sein und du kannst deine Geschichte, die auslösende Situation, einer tieferen Analyse unterziehen. Frage dich, was tatsächlich geschehen ist und versuche dabei, so rational wie möglich zu sein. Überlege dir außerdem, welche Interpretationen und Urteile du in der Situation selbst getroffen hast.

Ist dir das bewusst, kannst du einen Blick in deine Vergangenheit werfen. Gab es bereits ähnliche Situationen, in denen du ganz ähnliche Erfahrungen gemacht hast? Vermutlich ist das der Fall und so kannst du anhand der aktuellen und der vergangenen Situationen, deiner Interpretationen und deiner Gefühle Glaubenssätze formulieren, die an deiner Selbstwahrnehmung offensichtlich einen großen Anteil haben.

Werde dir nun bewusst, dass sich deine Gedanken letztendlich über dich selbst bewahrheiten – du aber die Möglichkeit hast, deine Gedanken zu verändern, indem du deine Glaubenssätze neu definierst.

4. Schritt: Wandle deine Geschichte um (Reframing)

Lass dir die gegenwärtige Situation noch einmal durch den Kopf gehen – ganz ohne emotionale Wertung. So wirst du dir über das tatsächliche Geschehen bewusst und kannst aus diesem deine eigenen Lehren ziehen. Betrachte deine Geschichte aus einem neuen Blickwinkel. Versuche dich in dein Gegenüber zu versetzen und frage dich, aus welcher Motivation er handelt. Steht wirklich eine böse Absicht hinter dem Tun des anderen? Steht die Situation überhaupt in direktem Zusammenhang mit dir oder ist der Auslöser viel mehr eine Emotion, ein innerer Schmerz deines Gegenübers?

Glaubst du, die Beweggründe der Person verstehen zu können, hast du nun die Chance, einen deutlichen Erkenntnisgewinn aus der vergangenen Situation zu ziehen. Frage dich, wie du besser hättest reagieren können und wie du deinem Gegenüber hättest helfen können, ihren inneren Schmerz abzulegen. Durch diese neue Art der Betrachtung wirst du merken: nicht du bist das Opfer, sondern dein Gegenüber. Anstelle von Selbstmitleid solltest du Mitgefühl für ihn empfinden und ihm, sobald du dazu bereit bist, verzeihen.

5. Schritt: Vertiefe deine Erkenntnis und verankere sie

Die neu entwickelten Glaubensansätze und neu erlernten Blickwinkel gelten nicht nur für eine konkrete Situation. Möchtest du das nächste Mal sowohl nach Innen als auch nach Außen angemessener, kontrollierter oder einfühlsamer reagieren, kannst du deine Glaubensansätze und Blickwinkel manifestieren. Damit das möglich ist, könntest du die gerade durchlebte Loslass-Erfahrung immer wieder neu durchleben, – erinnere dich immer wieder an diese intensive Erfahrung.

Aufgrund deiner zunächst negativen Reaktion auf die bestehende Situation haben sich in deinem Gehirn neuronale Bahnen gebildet, die all die negativen Empfindungen wieder hochkochen lassen, wenn du an die Situation zurückdenkst. Durchbrechen kannst du diese Bahnen nur, indem du dich selbst konditionierst und die neue Geschichte aus dem vierten Schritt verfestigst – so lässt du in deinem Gehirn neue Verknüpfungen entstehen.

Versetze dich in regelmäßigen Abständen wieder zurück in die Situation und fokussiere dich dabei auf die Beweggründe deines Gegenübers und die neue. Im Rahmen der regelmäßigen, gedanklichen Wiederholung hast du die Möglichkeit, die Geschichte mit neuen, positiven Gefühlen zu verknüpfen. Höre, während du die Geschichte in deinem Kopf wiederholst, deine Lieblingsmusik oder versuche dabei ehrlich zu lächeln.

Die Tipping-Methode ist eine Synthese aus psychologischen und spirituellen Elementen. Sie ermöglicht es, mit sich und der Welt in Frieden zu kommen und das eigene Leben kraftvoll zu gestalten. Die Methode kann alleine praktiziert werden. Das Buch „Ich vergebe – Der radikale Abschied vom Opferdasein” von Colin Tipping beschreibt den ersten Baustein dieser seit fast 20 Jahren bewährten Methode. Selbstakzeptanz, Liebe, Partnerschaft und Beziehungen erfahren eine neue Qualität, Wachstums-Chancen können besser genutzt werden und das Leben wird freudvoller.

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