Der Dunning-Kruger-Effekt: Warum sind Blender so erfolgreich?

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Wir alle kennen wohl die Sorte Mensch, die sich maßlos überschätzt. Diejenigen, die sich zutrauen, alles zu können. Die Wahrheit jedoch zeigt auf, dass ihr Wissen und Können noch einiges an Nachholbedarf aufweisen. Oder kennst du jemanden, der wirklich viel „auf dem Kasten“ hat, aber grundsätzlich davon ausgeht, dass er bestimmten Aufgaben nicht gewachsen ist? Genau diese Phänomene der Über- und Unterschätzung sind der Dunning-Kruger-Effekt.

Die Geschichte des Dunning-Kruger-Effekt

Den Namen verdankt das Phänomen seinen Erforschern David Dunning und Justin Kruger.

Ihr Experiment war es, der die Über- aber auch die Unterschätzung von Menschen zu Tage förderte. Die beiden Forscher ließen Studenten diverse Tests durchlaufen und kamen dabei immer wieder zu folgenden Ergebnissen:

1) Jene, die ihre Lernerfolge als besonders hoch einstuften, schnitten nur durchschnittlich oder gar unterdurchschnittlich ab.

2) Andere, die von vornherein davon ausgingen, dass ihr bisheriges Lernen noch nicht erfolgversprechend war, schnitten mit hohen Ergebnissen ab.

Doch das Hauptaugenmerk blieb auf dem ersten Fall. Daraus entwickelte sich ein Stufenplan, der den eigentlichen Dunning-Kruger-Effekt ergibt.

Die 4 Stufen der Selbstüberschätzung

Stufe 1: Selbstüberschätzung trotz Inkompetenz

Stufe 2: Die Blindheit gegenüber der Inkompetenz

Stufe 3: Die durch Stufe 2 ausbleibende Erhöhung der Kompetenz

Stufe 4: Die Überlegenheit kompetenterer Menschen unterschätzen

Oder zusammenfassend und etwas überspitzt gesagt: Der Dumme merkt nicht, dass er dumm ist, hält sich daher für klug genug und baut sich damit ein Selbstvertrauen auf, dass ihm vorgibt, besser zu sein, als sein Gegenüber (auch wenn dieser nachweislich mehr Kompetenz besitzt).

Sind wir ehrlich: Nahezu jeder von uns, kennt genau so einen Menschen. Sicher auch du. Und die Zahl derer, die diesem Effekt unterliegen scheint zu steigen.

Wie genau kommt es dazu, dass so viele sich überschätzen?

Damit wir Kompetenzen erwerben, müssen verschiedene Stufen durchlaufen werden. Du bist zunächst Anfänger, der sich zum Fortgeschrittenen entwickelt. Du lernst und entwickelst dich weiter zu einem Kompetenten, dann zum Versierten und schließlich zum Experten.

Der Trugschluss, dem viele unterliegen ist es, sich bereits als Fortgeschrittener wie ein Experte zu sehen. Doch an diesem Punkt, hast du er ein bestimmtes Pensum des Wissens erworben, dass gebraucht wird. Halbwissen und dessen überzeugte (wenn auch falsche) Verbreitung sind das Resultat.

Kurzum, wer dem Dunning-Kruger-Effekt erliegt, hört zu früh auf, das Wissen und die Fähigkeiten zu erwerben, die ihn oder sie zu einem Experten machen könnten.

Diese Menschen sind sich sicher, dass sie genug getan haben und ihre Kompetenz ausreicht. Damit blockieren sie nicht nur den Weg zu mehr Wissen in ihrem jeweiligen Gebiet, sondern sind überzeugt, dass sie „gut“, „super“ und „ausgebildet“ sind.

Die fatale Folge des Dunning-Krüger-Effekt

Wer sich im Glauben befindet, Kompetent zu sein, es offensichtlich aber nicht ist, kann dies gut und gerne über einen langen Zeitraum beibehalten, ohne dass ihn oder sie etwas erschüttert.

Kommt jedoch ein Feedback – zum Beispiel in Form eines schlechten Testergebnis oder über die Gegenüberstellung mit jemanden, der tatsächlich Expertise besitzt – bleibt dies nicht ohne Wirkung.

Doch auch hier brauchst du nicht zu glauben, dass Menschen, die den Dunning-Kruger-Effekt unterliegen, plötzlich aufwachen und sich ihrer Inkompetenz bewusst werden.

Statt sich selbst zu reflektieren und zum Schluss zu kommen, dass das Wissen noch nicht ausreicht, greift die sogenannte kognitive Dissonanz.

Oder vereinfacht: Sie suchen die Fehler bei anderen, aber nicht bei sich. Es entsteht Wut, Frust, Rechtfertigungen werden ausgesprochen oder – eine Reaktion, die du an solchen Menschen sehr oft beobachten kannst – Trotz.

Eine Veränderung darfst du kaum bis gar nicht erwarten.

Dunning-Kruger-Effekt als Lernhilfe

Nachdem du nun informiert bist, auf was der Dunning-Kruger-Effekt beruht, hast du festgestellt, dass einmal darin gefangen, kaum ein Weg hinaus führt.

Doch er zeigt ebenso, welche Stolperfallen des Lernens auch dich befallen können. Das öffnet dir die Möglichkeit, mehr auf deine Lernerfolge zu achten und dich immer wieder selbst zu reflektieren. Dies bedeutet zum Einen, nicht nach einigen Lerneinheiten zu glauben, dass du bereits am Ziel wärst. Reflektiere dich selbst immer wieder – nicht um dich zu kritisieren – sondern einfach, um zu erfahren, welche Lücken noch zu schließen und welche Fragen noch zu beantworten sind. Tappe dabei jedoch nicht in die Falle, dich selbst zu unterschätzen.

Unterschätzen – die andere Seite der Medaille

Beim Experiment von Dunning und Kruger kam auch ans Licht, dass sich viele Menschen mit entsprechender Kompetenz unterschätzen. Sie fühlen sich nicht wettbewerbsfähig, glauben, dass ihr Wissen und ihr Können nicht genügt.
Das ist die Kehrseite des Dunning-Kruger-Effekt
Wenn du selbst zu den Menschen gehörst, die glauben, dass sie nie gut genug, clever genug, kompetent genug seien – dann reflektiere dich auch hier selbst. Denn Unterschätzung kann dir Wege und Türen verschließen, die besonders in Job und Karriere maßgebend sind.
Wenn du dich stetig unterschätzt und dies – oft nicht einmal gewollt – nach außen präsentierst, gehen bessere Jobs oftmals an Kollegen, aber nicht an dich. Und es kann sogar leicht passieren, dass jener, der inkompetenter ist als du, deinen Traumjob ergattert.

Überschätzen kommt an – Fatal aber Fakt

Wenn du dich einmal umsiehst, dich an bestimmte Momente zurück erinnerst, wie oft bekam nicht derjenige den Zuspruch, der zwar inkompetent, aber dafür absolut von sich überzeugt war? Ich denke, du hast bereits so einen Moment im Kopf.
Doch warum ist das so? Warum sind „Blender“ so erfolgreich?

Nun, das lässt sich folgendermaßen erklären: Weil Menschen, die den Dunning-Kruger-Effekt repräsentieren, an sich keine wirklichen Blender sind.

Ein Blender weiß, dass er „xyz“ nicht kann, spielt aber seinen Expertenstatus vor und wickelt mit geschickter Kommunikation, für ihn wichtige Partner sprichwörtlich um den Finger.

Das, was Dunning und Kruger jedoch in ihrem Effekt beschreiben, beruht aus tiefster Überzeugung. Diese Menschen glauben tatsächlich, die nötige Kompetenz zu besitzen. Und genau das spiegeln sie auch wider. Sie sind überzeugt von sich selbst und ihren vermeidlichen Fähigkeiten.

Kommen jetzt noch Partner hinzu, die selbst auf dem jeweiligen Gebiet keine Expertise besitzen, genügt dieses Übermaß an Selbstbewusstsein und entsprechender Kommunikation, um von den (nicht vorhandenen) Qualitäten zu überzeugen.

Ein weiterer Aspekt, der hier wahrlich erfolgreich machen kann: Mut. Denn Menschen, die sich selbst und ihr Können überschätzen, trauen sich einfach mehr zu. So nehmen sie Projekte an, die waghalsig sein können und an die sich ein erfahrener Mensch auf diesem Gebiet nur mit reiflicher Überlegung wagen würde – oder auch gar nicht. Wird aus diesem Projekt – mit etwas Glück – auch noch ein erfolgreiches Konzept, ist der Überschätzer anscheinend im Recht. Denn sein Wirken und seine Inkompetenz (die er in seinen Augen nicht hat) haben zum Ziel geführt. Ein weiterer Zuspruch für sein edles Ego.

Und klappt es nicht, auch nicht tragisch. Denn dann ist schnell irgendetwas oder irgendjemand gefunden, der die Schuld trägt.

Das Gegenbeispiel – Wie Selbstunterschätzung dich ausbremst

Wenn du das selbe Projekt angeboten bekommen würdest, wäre deine Hemmschwelle viel größer. Denn durch deine Kompetenz erkennst du sofort, dass Stolperfallen lauern könnten, dass gewisse Parameter zum Scheitern führen könnten, das Grundkonzept nicht stimmig ist usw usf.

Genau diese Überlegungen führen zu Zweifeln. Vor allem an dir selbst. Reicht deine Kompetenz wirklich aus? Oftmals hast du hier schon entschieden: Nein.

Deine Selbstunterschätzung legt dir Steine in den Weg, die – außer in deinem Kopf – noch gar nicht vorhanden sind. Schlussendlich ist die Angst vorm Scheitern der Antrieb, dass Projekt höchstwahrscheinlich abzulehnen.

Ich überschätze mich selbst – Was kann man dagegen tun?

Wenn du diesen Artikel gelesen hast und dich irgendwie wiedererkennst und dir diese Frage stellst: Du hast soeben den ersten Schritt getan, um aus dem Dunning-Kruger-Effekt auszubrechen. Denn tatsächlich wirken äußere Einflüsse (wie weiter oben kurz angerissen) sogut wie nie, um der Selbstüberschätzung entgegen zu wirken.

Die reine Erkenntnis jedoch, dass es möglich wäre (die Annahme reicht), dass du zu den Menschen gehörst, die glauben mehr zu können, als es real der Fall ist, versetzt dich in eine ganz neue Lage. Denn so kannst du reflektieren. War der letzte Test wirklich auf einem viel höheren Niveau? Hatte dein Studienfreund vielleicht mit seinen Argumenten recht, die all deine Worte entkräften wollten, bis du dich umgedreht hast und einfach gegangen bist?

Um es zu erwähnen: Selbstüberschätzung passiert jedem mal.

Du denkst du hast genug geleistet und stellst in der nächsten Klassenarbeit oder beim nächsten Projekt fest: Es reicht doch nicht. Aber genau diese Feststellung ist es, die dich nicht zu einem „Opfer“ des Dunning-Kruger-Effekt macht.

Denn wie bereits besprochen, würde ein Mensch mit maßloser Überschätzung niemals bemerken oder sich eingestehen, dass er inkompetent ist.

Wie begegnet man Menschen mit maßloser Selbstüberschätzung am besten?

Wenn wir einen Menschen vor uns haben, der eindeutig inkompetent ist, entsteht automatisch der Drang, ihm seine Schwächen aufzeigen zu wollen. Du hoffst damit wahrscheinlich, dass dein Gegenüber „aufwacht“ und erkennt, wie falsch er liegt und welch (gefährliches) Halbwissen er zur Schau stellt.

Ein nobler Gedanke. Leider wird er verpuffen. Man kann es nur wiederholen: Diese Menschen sind resistent gegen Feedback – zumal wenn es für sie kritisches und negatives ist. Daher verschwende nicht deine Energie in diese sinnlosen Debatten, sondern bleib selbst aufmerksam auf deine Lernfortschritte.

Die Stufen des Lernens – Den Dunning-Kruger-Effekt vermeiden

Neben Achtsamkeit und Reflektion können dich die vier Stufen des Lernens unterstützen, um nicht in Selbstüberschätzung zu geraten. Diese Stufen sind:

1) Unbewusste Inkompetenz
„Ich weiß, dass ich nichts weiß.“ Dieses Zitat beschreibt es sehr kurz, aber durchaus präzise. Diese erste Stufe ist der Impuls, der dich veranlasst, etwas Wissen oder Können zu wollen. Sie ebnet den Weg, zum eigentlichen Lernen.

2) Bewusste Inkompetenz
Du weißt, welche Defizite du besitzt und was du tun musst, um sie zu beseitigen.

3) Bewusste Kompetenz
Hier beginnt das eigentliche Lernen. In dieser Stufe erwirbst du die Kenntnisse, die du benötigst. Du beschäftigst dich mit Themen, erprobst Erlerntes und festigst es.

4) Unbewusste Kompetenz
Du hast Wissen gesammelt, Erfahrungen gemacht, Können erprobt und bist nun auf dem Stand es jederzeit abzurufen und erneut anzuwenden. – Kurzum, du musst nicht mehr viel nachdenken, um etwas umzusetzen.

Wichtig für Coaches und Menschenbegleiter: Diese vier Stufen des Lernens.

Dabei musst du dir nur immer bewusst sein, dass es nicht reicht auf Stufe zwei oder drei aufzuhören. Erst mit Stufe vier lässt sich von Kompetenz sprechen. Hast du diese erreicht, birgt zwar auch sie Potential, arrogant zu werden. Aber diese scheinbare Arroganz – auch wenn sie ebenso lästig sein dürfte, wie die Selbstüberschätzung – beruht dann auf wirklichem Wissen und Können und nicht nur an den Glauben daran.

Herzlichst
Anne

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