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Anne Heintze
Harald Heintze
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Hochsensibilität, Stress und der COMT-Polymorphismus: Wenn die Gene unser Stressempfinden beeinflussen
Hast du dich jemals gefragt, warum du Stress intensiver wahrnimmst und länger brauchst, um dich wieder zu beruhigen? Vielleicht fühlt sich dein Körper oft so an, als würde er pausenlos unter Strom stehen, und es scheint unmöglich, jemals richtig loszulassen. Der Grund dafür könnte in deinem genetischen Code verborgen sein, genauer gesagt im COMT-Polymorphismus. Aber bevor du denkst: „Oh nein, was ist das jetzt wieder?“, lass uns in die spannende Welt deines Nervensystems und deiner Hochsensibilität eintauchen.
Was ist der COMT-Polymorphismus?
Das Enzym Catechol-O-Methyltransferase, kurz COMT, spielt in deinem Körper eine entscheidende Rolle. Es ist zuständig für den Abbau von Stresshormonen wie Adrenalin und Noradrenalin und hilft, deinen Körper nach einer stressigen Situation wieder zu beruhigen.
Der Vorgang, durch den diese Hormone abgebaut werden, nennt sich Methylierung. Dabei wird eine Methylgruppe übertragen, die den Hormonspiegel senkt und dich in einen entspannteren Zustand versetzt.
Doch bei etwa 30 % der Menschen in Europa funktioniert dieser Prozess nicht ganz reibungslos – schuld ist eine genetische Variante, der sogenannte COMT-Polymorphismus.
Wenn diese genetische Besonderheit bei dir vorliegt, arbeitet das Enzym langsamer als normal. Die Folge: Stresshormone bleiben länger in deinem System und halten dich in einem Zustand der Alarmbereitschaft. Du kannst dir das so vorstellen, als ob der Körper den Notfallmodus nicht mehr ausschalten kann. Das Leben in dieser Daueranspannung bringt vielfältige Herausforderungen mit sich.
Wie wird Stress ausgelöst?
Bevor wir zu den Details kommen, lass uns klären, was Stress eigentlich ist und warum er ausgelöst wird. Viele denken, Stresshormone würden nur in akuten Gefahrensituationen ausgeschüttet, zum Beispiel, wenn dir plötzlich ein Auto vor die Füße fährt.
Tatsächlich wurde unser Stresssystem evolutionär genau dafür entwickelt: In Sekundenbruchteilen macht es dich handlungsfähig, lässt dein Herz rasen, deine Sinne schärfen und deinen Körper zu Höchstleistungen auflaufen, um entweder zu kämpfen oder zu fliehen.
Doch in unserer modernen Welt haben wir es kaum noch mit lebensbedrohlichen Situationen zu tun. Stattdessen sind es oft kleine Dinge, die den Stressmotor anwerfen: das Ping einer neuen Nachricht, das Klingeln des Telefons oder ein lautes Geräusch auf der Straße.
Stress kann auch durch positive Erlebnisse ausgelöst werden – eine wilde Tanzeinlage, ein spannender Film oder die Aufregung des Verliebtseins sind Beispiele dafür, dass Stress nicht immer etwas Negatives sein muss. Problematisch wird es, wenn diese Stresshormone dauerhaft im System bleiben und der Körper sich nicht erholen kann.
Negative Folgen des COMT-Polymorphismus
Der COMT-Polymorphismus sorgt dafür, dass dein Körper viel länger braucht, um in den Ruhemodus zu wechseln. Die Folge? Ein hormonelles Dauerfeuer aus Adrenalin und Noradrenalin. Diese permanente Überstimulation kann körperliche Symptome wie Schlafstörungen, einen erhöhten Puls, Muskelzuckungen oder das sogenannte Restless-Leg-Syndrom hervorrufen. Betroffene erleben häufig ein Gefühl der ständigen Unruhe, als stünden sie permanent „unter Strom“. Der Körper schüttet weiter Stresshormone aus, obwohl die eigentliche Stresssituation längst vorbei ist.
Und das bleibt nicht ohne psychische Auswirkungen: Menschen mit COMT-Polymorphismus fühlen sich oft ruhelos und gehetzt.
Ihr Gehirn scheint ununterbrochen auf Hochtouren zu arbeiten, was das Einschlafen erschwert und die Fähigkeit, sich zu konzentrieren oder abzuschalten, drastisch reduziert. Am Tag fühlen sie sich erschöpft und energielos, in der Nacht hingegen drehen die Gedanken endlose Kreise. Ständig muss etwas erledigt, durchdacht oder geplant werden, was zu einem überwältigenden Gefühl der Überforderung führt.
Der Teufelskreis des Dauerstresses
Chronischer Stress ist eine gefährliche Endlosschleife. Wenn du schlecht schläfst, sinkt deine Belastbarkeit, was wiederum deinen Stresspegel erhöht. Ein hormonelles Ungleichgewicht verstärkt die Symptome weiter: Das Immunsystem wird geschwächt, die Gesundheit leidet, und es entsteht ein Teufelskreis, aus dem es schwer ist, auszubrechen.
Für Menschen mit COMT-Polymorphismus ist dieser Zustand besonders belastend, da ihr Körper weniger gut in der Lage ist, zwischen Stress und Erholung zu balancieren. Das bedeutet, dass sogar kleine Stressoren eine große Wirkung haben und die körperliche Anspannung bis weit in die Nacht hinein spürbar bleibt.
- Eine spannende Studie im International Journal of Neuropsychopharmacologyuntersucht die Verbindung zwischen dem COMT-Gen und Stressreaktionen. Träger des Met-Allels zeigen eine stärkere Cortisolreaktion, was auf eine erhöhte Stressanfälligkeit hinweist. Mehr dazu findest du hier.
Psychische und soziale Auswirkungen
Neben den körperlichen Symptomen bringt der COMT-Polymorphismus auch erhebliche psychische Belastungen mit sich. Viele Betroffene leiden unter chronischer Anspannung, fühlen sich ständig gehetzt und können sich nicht auf das Hier und Jetzt konzentrieren. Oft begleitet sie das Gefühl, immer „zu viel“ oder „zu wenig“ zu sein: Zu viel in ihren Reaktionen, zu wenig in ihrer Belastbarkeit.
Diese Selbstzweifel und der Druck, den eigenen Ansprüchen oder denen des Umfelds gerecht zu werden, führen häufig zu Minderwertigkeitskomplexen und einem überhöhten Leistungsanspruch.
Und weil Dauerstress die zwischenmenschliche Verbindung beeinträchtigen kann, leidet oft auch das soziale Umfeld: Partner, Freunde und Familie haben es schwer, den emotionalen Zustand der Betroffenen zu verstehen.
Die soziale Isolation, die daraus entstehen kann, ist ein weiterer Stressfaktor. Du merkst vielleicht, dass du dich zurückziehst, um dich zu schützen, und gleichzeitig fühlt sich das Leben manchmal erschreckend leer und überwältigend an. Es ist, als würde über dir alles zusammenbrechen, und der Gedanke, den Alltag als „normale Erwachsene“ zu bewältigen, scheint unmöglich.
Gibt es auch positive Seiten beim COMT-Polymorphismus?
Ja, so seltsam es klingen mag, der COMT-Polymorphismus hat auch positive Effekte. Betroffene sind oft äußerst leistungsfähig, zeigen eine hohe körperliche Energie und können komplexe Sachverhalte blitzschnell erfassen. Sie gelten als schnelle Denker, die in Stresssituationen einen kühlen Kopf bewahren.
Ihre Sinne sind geschärft, und sie haben die Fähigkeit, sich intensiv mit Themen auseinanderzusetzen. Für viele sind diese Eigenschaften beruflich von Vorteil: Sie sind erfolgreiche Manager, kreative Köpfe oder visionäre Denker. Doch auch hier gibt es eine Kehrseite: Nach außen wirken sie souverän und dynamisch, doch innerlich brennen sie oft auf Sparflamme.
Therapieansätze und Hilfen
Natürlich lässt sich der COMT-Polymorphismus nicht „weg therapieren“, aber es gibt viele Strategien, um die Symptome zu lindern. Ein genetisches Screening kann helfen, Klarheit über die eigene Situation zu erlangen. Der erste Schritt zur Verbesserung ist oft die Gabe von Mikronährstoffen, um den Nährstoffmangel auszugleichen, der durch den erhöhten Grundumsatz entstehen kann.
Auch Schlafhygiene, regelmäßige Routinen und Achtsamkeitsübungen sind essenziell. Eine Runde Tanzen oder intensives Schütteln gleich morgens können dir helfen, die Energie des Tages zu wecken und den Körper von der nächtlichen Restspannung zu befreien.
Psychotherapeutische Unterstützung, Coaching für Hochsensible und gezielte Entspannungstechniken wie Meditation oder Yoga sind weitere wirkungsvolle Maßnahmen. Das Ziel ist es, die Balance zwischen Anspannung und Entspannung zu finden und deinem Körper die Ruhe zu gönnen, die er braucht. Und nicht zu vergessen: Es ist wichtig, dir selbst zu erlauben, auch mal „weniger“ zu sein und in deiner Sensibilität eine Stärke zu erkennen.
Der COMT-Polymorphismus ist eine Herausforderung, aber auch eine Chance, sich selbst besser zu verstehen.
Wenn du lernst, deine Veranlagung zu akzeptieren und liebevoll mit dir umzugehen, kannst du trotz (oder gerade wegen) dieser genetischen Besonderheit ein erfülltes und gesundes Leben führen. Und vergiss nicht: Du bist nicht allein.
Es gibt viele Menschen, die mit denselben Herausforderungen kämpfen, und es gibt Wege, sich gegenseitig zu unterstützen und zu inspirieren.
Hast du das Gefühl, betroffen zu sein? Dann ist es ein guter erster Schritt, mit einem Experten zu sprechen und deine Situation besser zu verstehen.
Sonnige Grüße von Anne Heintze
Herzlichst,
Anne