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Anne Heintze
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Deine Wahrnehmungsfilter und die du Realität
Unmengen von Daten stürmen in jeder Sekunde auf uns ein, mehr als unser Gehirn verarbeiten kann, obwohl es sich mit einem Hochleistungsrechner messen kann. All unsere Sinne sind jede Sekunde auf Empfang geschaltet und auf den Kanälen des Sehens, Hörens, Schmeckens, Fühlens und Riechens findet gleichsam eine ständige Bombardierung mit Reizen statt. Würde alle über unsere Sinne verfügbaren Informationen zu uns durchdringen, würde das System unweigerlich zusammenbrechen. Deshalb schützen uns Wahrnehmungsfilter vor Überlastung. Diese funktionieren auf unterschiedlichen Ebenen und filtern das vermeintlich für uns Wichtige heraus. Unsere Realität schaffen wir dabei auf unterschiedlichen Ebenen, und das Ergebnis ist dann für jeden Menschen anders.
Biologische Hürden
Einige Signale der Umwelt, die für andere Lebensformen überlebenswichtig sind, kann der Mensch aufgrund seiner biologischen Beschaffenheit erst gar nicht wahrnehmen, wie bestimmte Frequenzen von Fledermäusen oder Hunden oder Lichtquellen für Katzen. Aber auch die Sinne der einzelnen Menschen sind unterschiedlich stark ausgeprägt: mal ist es ein absolutes Gehör oder ein besonders verfeinerter Geschmackssinn.
Neurologische Filter als Basis
Die Aufnahmemöglichkeiten des menschlichen Gehirns sind begrenzt. Deshalb unterliegt alles einer Löschung, was über 200 Bits hinausgeht, obwohl millionenfach mehr Daten zur Verfügung stehen. Allerdings kommt es dabei zur Setzung von Prioritäten.
Neues dringt eher ins Bewusstsein vor als Bekanntes, deshalb gewöhnst du dich nach einiger Zeit an das Parfum, das du täglich trägst und tendierst dazu mehr aufzutragen.
Kulturelle und soziale Faktoren
Allen Menschen ist gemein, dass sie auf Signale, die Gefahr bedeuten könnten, wie z. B. laute Geräusche oder ein bitterer Geschmack, besonders heftig reagieren. Andere Filter sind erlernt. Was du bzw. dein Gehirn als wichtig ansiehst, wird stark durch deine Umwelt geprägt. Eine Gesellschaft von Jägern und Sammlern schenkt auch kleinen Naturphänomenen eine größere Aufmerksamkeit, da sie das Überleben sichern.
Großstadtmenschen werden einem geknickten Ast nur wenig Beachtung schenken. In manchen Kulturen ist das gesprochene Wort von weniger großer Bedeutung als die Mimik und Gestik, mit denen es begleitet wird, da zu direkte Ablehnung als Beleidigung empfunden wird. In einem solchen Umfeld ist die Aufmerksamkeit für eine gehobene Augenbraue weit größer.
Individuelle Wahrnehmungsfilter
Bei jedem einzelnen Menschen haben unterschiedliche Daten eine Chance zu ihm vorzudringen. Unseren Namen hören wir meist heraus, auch wenn wir vom Rest des Gespräches nichts mitbekommen haben. Interessierst du dich für ein Gespräch, kannst du die Geräusche um dich herum gut ausblenden.
Dein individueller Wahrnehmungsfilter kann sich aber auch verändern. Eine Mutter reagiert auf die Geräusche des Säuglings in der Nacht schneller als beispielsweise ein Fremder. Nach einer frischen Trennung siehst du plötzlich mehr verliebte Paare in der Stadt. Wer sich ein bestimmtes neues Auto anschaffen möchte, sieht plötzlich viele Exemplare davon. Deine Interessen stellen deine Wahrnehmungsfilter ein.
Verarbeitung und Veränderung der Informationen
Solche individuellen Einstellungen finden auch bei der Aufnahme von Informationen statt. Unsere Vorerfahrungen zeigen dir, was für dich besonders wichtig ist. Wer auf einen Bienenstich allergisch ist, wird das Summen einer Biene viel schneller hören. Die Bedeutung wird aber interpretiert und zugeordnet. Dabei kann es natürlich zu falschen Verknüpfungen kommen, außerdem tendieren alle Menschen dazu einmal gefasste Überzeugungen und Glaubenssätze zu bestätigen. Diese Selbstaffirmation wird in den sogenannten Echoräumen der sozialen Netzwerke besonders deutlich. Dadurch schaffen wir unsere eigene Realität. Bei der Modellierung dieser Realität treten drei Mechanismen auf.
Löschung und Tilgung von Informationen
Es dringt ohnehin nur ein begrenztes Datenvolumen bis ins Bewusstsein vor. Es werden aber auch Informationen ignoriert, denen wir entweder keine Bedeutung zuordnen können oder die nicht in unser momentanes Weltbild passen. Wenn wir etwas Schlechtes von einer Person erwarten, werden wir Freundlichkeiten eher nicht wahrnehmen
Generalisierung von Wahrnehmungen
Einzelinformationen schließen sich zusammen und werden generalisiert, damit verzichtet das Gehirn auf Einzelheiten, macht die Fakten aber erst interpretierbar. Manchmal verliert sich dabei allerdings der Zusammenhang und es wird völlig neu interpretiert. Manches Baby hat z. B. vor allen Männern mit Bart Angst.
Die Verzerrung unserer Realität
Nicht alles wird genauso wahrgenommen, wie es sich tatsächlich ereignet. Dies gilt gerade dann, wenn wir uns rückblickend an etwas erinnern. Erzählungen können dabei tatsächlich unsere eigenen Erinnerungen beeinflussen. Häufig zeigt sich das auch in Zeugenaussagen. Tatsächliche Erinnerungen, vermischen sich mit früheren, Schlussfolgerungen werden gezogen, Teile ergänzt das Gehirn logisch und die Fantasie schmückt den Rest aus.
Auflösung von Wahrnehmungsfiltern
Wahrnehmungsfilter kannst du aber auch verändern und neu justieren. Unsere Sinne können trainiert werden. Durch Übungen und beispielsweise Musikschulen kann sich z. B. das Gehör verbessern. Wenn du bestimmten Dingen eine bewusste Aufmerksamkeit schenkst, wirst du sie eher wahrnehmen. Dabei kann es hilfreich sein, solche Beobachtungen aufzuschreiben oder festzuhalten. Das kann ein Tagebuch sein, das du am Abend führst, oder eine Strichliste. Da jeder Mensch seine eigene Version von der Realität besitzt, kann es hilfreich sein, sich unvoreingenommen darüber mit anderen Personen zu unterhalten. Verständnis löst Konflikte auf.
Wahrnehmungsfilter: Fluch und Segen zugleich
Durch Wahrnehmungsfilter entgehen uns Informationen. Wir empfinden z. T. Misstrauen und Wut gegenüber anderen Menschen, die aufgrund ihrer Filter zu anderen Ergebnissen kommen, das kann uns isolieren. Gleichzeitig steht es aber in unserer Macht, unsere Filter zu überprüfen und zu verändern und unseren Horizont zu erweitern. Ein anderer Aspekt, den du nicht übersehen solltest, ist, dass zwar viele Informationen noch vor unserem Bewusstsein abgeblockt werden, uns aber trotzdem unterschwellig zur Verfügung stehen. Deshalb liegt unsere Intuition so häufig richtig.
Lies auch diesen Artikel über Wahrnehmungen.
Herzlichst
Anne