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Anne Heintze
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Gewaltfreie Kommunikation: Was macht sie aus und wie gelingt sie?
Die Wolfssprache und die Giraffensprache – Sinnbilder zweier Sprachmodelle
Anders, als du vielleicht vermutest, hat die gewaltfreie Kommunikation nicht direkt mit körperlicher Gewalt zu tun. Der Psychologe Marshall Rosenberg stellte fest, dass verbale Gewalt in unserer Sprache wie Vorwürfe, Anschuldigungen oder Druck und Manipulation weit verbreitet sind und immer wieder zu Konflikten führen. Sie rufen, ebenso wie körperliche Gewalt, Verletzungen hervor. Marshall entwickelte die Symboliken der Wolfs- und Giraffensprache, um die vorhandenen Sprachmodelle zu veranschaulichen. Der Wolf steht hierbei für die zubeißende, verletzende Kommunikation und Rhetorik. Gleich dem realen Raubtier sucht er in der Kommunikation Angriffspunkte, um seinen Kontrahenten zu schwächen und letztendlich als Sieger aus einem Zweikampf hervorzugehen. Die Giraffe, als friedlich lebende Spezies, ist auf Koexistenz aus. Als das Landtier mit dem größten Herzen steht sie für eine empathische Lebensweise. Mit ihrem langen Hals behält sie den Überblick, sieht Konflikte kommen und ist auf diese Weise verschiedenen Situationen gut gewachsen.
Marshall B. Rosenberg: Eine Sprache, die dem Leben dient
Doch aus welchen Gründen nutzen wir so oft das verletzende Sprachmodell? Die sogenannte Wolfssprache erlernen wir bereits im Kindesalter. Sie ist geprägt von Bewertungen, Kritik, der latenten oder bewussten Androhung von Sanktionen, Belohnungen oder versteckter Manipulation. In unserer, auf Wettkampf und Konkurrenz basierenden Gesellschaft, sind die Waffen der Sprache ein Mittel zum Zweck. Es gilt, sich zu behaupten. Und paradoxerweise richten wir diese Waffen nach außen und nach innen – insbesondere dann, wenn die eigenen Bedürfnisse und Gefühle nicht klar sind oder gar missachtet werden.
Befindlichkeiten des Einzelnen haben bei der vielfachen Orientierung auf Leistung und Funktionalität keinen Platz. Die Giraffensprache hingegen basiert auf Respekt und Wertschätzung – der eigenen und der anderen Person gegenüber. Die Sprache der Giraffe – so Marshall B. Rosenberg – ist ehrlich und offen. Sie bewertet nicht, hört zu, fragt nach und geht grundsätzlich von den guten Absichten ihrer Mitmenschen aus. Fehler werden als Chancen wahrgenommen. Mit dieser positiven Grundhaltung dient diese Sprache dem Leben und seinen vielfältigen und unverzichtbaren Beziehungen.
Die vier Schritte der Gewaltfreien Kommunikation
Du möchtest dich in die Gewaltfreie Kommunikation nach Marshall einarbeiten, um am Arbeitsplatz oder im Privatleben aktiver zuzuhören und klarer und ehrlicher zu kommunizieren. Dann können dir die vier Schritte der Gewaltfreien Kommunikation eine Hilfestellung sein.
- Im ersten Schritt geht es um die Beobachtung und Wahrnehmung der Situation. Eine objektive Beschreibung des Sachverhalts stellt eine Grundlage für das weitere Vorgehen dar. Was ist geschehen? Was nimmst du wahr, ohne eine Schuld zuzuweisen?
- Der zweite Schritt widmet sich deinen Gefühlen. Wie geht es dir? Was fühlst du? Wichtig ist hierbei, niemanden für diese Gefühle verantwortlich zu machen. Richte in diesem Schritt den Fokus gezielt auf deine Empfindungen.
- Im dritten Schritt betrachtest du die Bedürfnisse hinter den Gefühlen. Was brauchst du? Was fehlt dir? Stecken unerfüllte Bedürfnisse hinter den Gefühlen? In diesem Abschnitt kannst du Wünsche formulieren.
- Im letzten, vierten Schritt entwickelst du eine konkrete Bitte an dein Gegenüber. Wie kann das zuvor erkannte Bedürfnis erfüllt werden? Wichtig sind hierbei eine positive Wortwahl und die Umsetzbarkeit der Bitte in der Realität.
Der Weg zu gesunden, intakten Beziehungen
Damit du die eigenen Gefühle und Bedürfnisse wahrnehmen kannst und so bestimmte Muster in deiner Kommunikation erkennst, ist Übung notwendig. Die Methode der Gewaltfreien Kommunikation lässt sich nicht von heute auf morgen erlernen und sicher anwenden. Die tägliche Besinnung auf das Prinzip und die kontinuierliche Arbeit am eigenen Denken, Handeln und Kommunizieren sind jedoch beste Voraussetzungen.
Übungen helfen parallel die Theorie der Gewaltfreien Kommunikation in die Praxis zu integrieren. Eine Unterscheidung von Beobachtung und Bewertung oder von Gefühlen und Gedanken kann beispielsweise Licht in die Wirrungen der Gefühlswelt bringen. Ebenfalls wichtig ist der klare Ausdruck von Gefühlen.
In diesem Zusammenhang hat sich die Formulierung von Ich-Botschaften bewährt. Sie konzentrieren sich stets nur auf das eigene Empfinden und klammern auf diese Weise Mutmaßungen in Bezug auf die andere Person aus. Bitten deutlich und zweifelsfrei auszusprechen, kann für dich eine weitere Übung sein. Die Bitte, die sich aus den erkannten Bedürfnissen entwickeln lässt, beinhaltet stets eine konkrete Handlung und idealerweise einen Zeitbezug.
Du kennst es vielleicht: Ausufernde Meetings haben trotz verschiedener Diskussionsbeiträge und Lösungsvorschläge keinen für die Mitarbeiter spürbaren Nutzen. Schaust du einmal hinter die Kulissen, ist möglicherweise die Kommunikationsstrategie des Teams der Grund. Gesprächspartner, die einander Schuld zuweisen, Kritik üben und die Verantwortung für eine bestimmte Situation von sich weisen.
Ein guter Zeitpunkt, jetzt anzusetzen und beispielsweise das aktive Zuhören zu praktizieren. Die Fähigkeit zuzuhören, interessiertes Nachfragen, dosierte Signale des Verständnisses und abschließendes Zusammenfassen des Gesagten gehören dazu. Bereits dieser Aspekt führt kurzfristig und unmittelbar zu zufrieden stellenden Gesprächen. Erbetenes Feedback kann offenbaren, wie deine Teammitglieder diese Gespräche empfinden. Stellt sich zunehmend Zufriedenheit ein, werden die Gespräche und Abstimmungen automatisch zielgerichteter und damit effizienter und wertvoller.
Eine stabile Vertrauensbasis im Team – jeder kämpft nicht mehr gegen jeden – sorgt mittel- und langfristig für Erfolg in der Zusammenarbeit. Positive Auswirkungen auf die gesamte Unternehmung sind wahrscheinlich.
Das Sprachmodell der Giraffe im Schulalltag
Nicht allein im beruflichen und partnerschaftlichen Zusammenhang ist konfliktgeladene Konversation allgegenwärtig. Bereits die Kleinsten kommunizieren auf wölfische Art und Weise. Das, was sie aus der Welt der Erwachsenen erfahren, integrieren sie in ihre kindliche Welt. Die verbalen Beschimpfungen und Bestrafungen sind weithin zu hören. Immer häufiger findet aus diesem Grund das Prinzip der Gewaltfreien Kommunikation den Weg in Schule und Kindergarten.
Die Symbolik der Giraffe ist dabei ausgesprochen hilfreich. So wie einst Marshall B. Rosenberg selbst in einem Seminar, veranschaulichen zu Hilfe genommene Handpuppen die verschiedenen Sprachmodelle von Giraffe und Wolf. Auf die jeweilige Altersstufe abgestimmte Übungen helfen, bei den Jüngsten eine Sensibilisierung für die Auswirkungen der unterschiedlichen Sprachkonzepte in Gang zu setzen. Der Zugriff auf entsprechendes Vokabular und die Formulierung einer Ich-bezogenen Aussage werden altersgerecht und spielerisch trainiert.
Selbstverständlich ist die Wissenschaft der Kommunikation nicht nur in Schwarz und Weiß gefärbt. Es ist nur schwer möglich, allein die Sprache der Giraffe zu sprechen. In Situationen des Alltags, in denen kein Konflikt vorliegt, ist ihre Anwendung beispielsweise nicht sinnvoll.
Wichtig bleibt die Verinnerlichung der Sprachmethode der Giraffe, ihre Anwendung in konfliktgeladenen Momenten und eine entsprechende positive Lebenseinstellung. Und dennoch wird der Wolf in uns zutage treten, wenn Emotionen und der Eifer überwiegen. Mit dem Bewusstsein für diese Momente und der Möglichkeit zur Reflexion, können wir den eigenen Werten treu bleiben.
Anne